| 
                  
				Das Deutsche Feldzugsbüchlein : 1914 vol. 1 
				Ed. 1914 
				 
				Feldszugbriefe 
				[...] 
				Die Einnahme des stärksten Sperrforts Manonvlller. 
				Es war am Dienstag, den 25. 
				August, nachmittags 4 Uhr, als das Fußartillerieregiment 18, das 
				dem 1. bayerischen Korps zugeteilt war, den Auftrag bekam, nun 
				an seine Hauptaufgabe, die Einnahme des Forts Manonviller, 
				heranzugehen. Schon vor Ausbruch des Krieges war dieses Regiment 
				zu dieser Aufgabe bestimmt worden, und alle Pläne und 
				Zeichnungen, sowie Photographien, vom Flugzeug aus aufgenommen, 
				in seinen Händen. Die Erkundung war so genau, daß sogar die 
				Präzisionszeichnungen der Mauerdurchschnitte und die Art des 
				Baumaterials ganz genau angegeben waren. 
				Das Fort Manonviller erhebt sich auf einer Hochebene neben 
				anderen Hügeln, ungefähr wie die Feste Wachsenburg, ist 
				natürlich größer als diese und beherrscht die Umgegend auf viele 
				Kilometer. Es ist mit den modernsten Einrichtungen versehen: mit 
				Panzertürmen (sogenannten Gallopintürmen), die emportauchen und 
				verschwinden, mit elektrischen Kraft- und Lichtmaschinen, 
				Scheinwerfern u. a. m. Munition und Vorrat hatte die Festung für 
				sechs Monate. 
				Nachdem am Mittwochmorgen von Foulcrey aus durch den Stab des 
				Regiments und der Bataillone ein Erkundungsritt vorgenommen war, 
				wurde abends über Autrepierre und Gondrexon in Stellung gegangen. 
				Da die schwere Artillerie (die Mörser- und Haubitzenbataillone) 
				viel schwerfälliger in der Beweglichkeit ist als andere 
				Artillerie, so muß natürlich darauf gesehen werden, daß ihre 
				Aufstellung den Feinden möglichst unkenntlich bleibt. Es wird 
				deswegen der zu beschießenden Gegend gegenüber, auf der Höhe, 
				ein Beobachtungsposten eingerichtet und dieser mit den Batterien 
				durch Telephon verbunden. Der Beobachtungsposten wird 
				eingegraben (natürlich bei Nacht), weil er dem feindlichen Feuer 
				vollkommen ausgesetzt ist. Gewöhnlich wird das so gemacht, daß 
				sich die Beobachter vorher an einer anderen Stelle möglichst 
				viel zeigen, um den Anschein zu erwecken, daß sie an derselben 
				den Beobachtungsposten einrichteten. 
				In Laufgräben führt von der Deckung aus ein Weg nach den 
				Beobachtungskammern, in denen Scherenfernrohre aufgestellt sind. 
				Dadurch ist der Kopf des Beobachters nicht sichtbar, und nur die 
				Scheren ragen hervor und können durch Stroh oder Kartoffelkraut 
				verdeckt werden. Am Abend und in der Nacht mußten wir sehr 
				vorsichtig sein, uns oft auf die Erde niederlegen, da das Fort 
				mit seinen Scheinwerfern die Umgebung absuchte. Auch wurde 
				öfters geschossen, aber, wie es schien, aufs Geratewohl, denn 
				ziemlich weit rechts und links von uns schlugen Granaten ein. - 
				Am anderen Morgen gingen wir noch unterm Schutze der Dunkelheit 
				in den Beobachtungsposten ein. Diesmal schlugen die Granaten 
				schon näher am Beobachtungsposten ein, so daß wir glaubten, die 
				Besatzung des Forts habe unsere Stellung ermittelt. - Nachdem 
				aber unsere Mörser die ersten Granaten in das Fort geschleudert 
				hatten, verschwand die Besatzung, die sich bis dahin auf den 
				Wällen aufgehalten hatte, plötzlich. Unser Feuer wurde noch 
				einige Male erwidert, dann schwieg die französische Artillerie, 
				so daß wir annahmen, das Fort sei vielleicht gar im Stich 
				gelassen worden, zumal, als nachts große Rauchwolken aus 
				demselben zum Himmel emporstiegen. 
				Eine Offizierspatroullle unseres Regiments und verschiedene 
				Infanterie- und Pionierschleichpatrouillen brachten jetzt immer 
				wieder die Nachricht, daß das Fort noch besetzt sei. Endlich, am 
				dritten Tage, nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr, wurde die weiße 
				Fahne gehißt, welche von uns mit einem dreifachen Hurra begrüßt 
				wurde. Darauf warfen wir uns auf die Pferde und galoppierten 
				über das Dorf Veho nach Manonviller, um uns das Resultat unserer 
				Beschießung anzusehen. 
				Das Resultat war ein großartiges! Unsere Mörser- und 
				Haubitzgeschosse hatten bis auf die Kasematten das Fort 
				vollständig zerrissen und zerschossen. Die Panzertürme waren 
				durchlöchert, die Geschütze unbrauchbar. Auf eine Frage an den 
				Befehlshaber des Forts, warum er das Fort so bald übergeben habe, 
				antwortete dieser, er habe befürchten müssen, wenn die 
				Beschießung länger dauerte, würden die Mannschaften wahnsinnig 
				werden, ein solches Getöse hätte die Explosion unserer Geschosse 
				hervorgerufen. Es wäre gewesen wie beim Weltuntergang. „Les 
				Haubitz's sont terribles !" sagte er. - So war das Fort ohne 
				Sturm, nur durch die Wucht unseres Geschützfeuers, mit einem 
				geringen Verlust von zwei Menschenleben auf unserer Seite, in 
				unseren Besitz übergegangen. Minen anzulegen hatten die 
				Franzosen vergessen, weil sie uns noch nicht so nahe wähnten. 
				Und das war eigentlich das Gefürchtetste: diese Vermutung, daß 
				unter allen Brücken und in den Wegen der Franzosen Minen gelegt 
				seien. Nach dem Uberschreiten einer jeden Brücke war man froh, 
				wenn man sie glücklich passiert hatte. 
				Die großen 42-Zentimeter-Geschütze, von denen vor dem Kriege 
				niemand etwas wußte, und welche extra für diese Sperrforts 
				gebaut, deren Beschaffung aber geheimgehalten war, wären nicht 
				einmal nötig gewesen - unsere Mörser taten auch so ihre Wirkung. 
				Überhaupt ist es das erste Mal in diesem Kriege, daß Mörser und 
				Haubitzen in der Feldschlacht mit benutzt werden. Wir waren mit 
				ihnen während des Feldzugs in Lothringen siebenmal im Gefecht, 
				und jedesmal war die Wirkung eine entscheidende. 
				Verschiedentlich wurde die feindliche Artillerie, welche die 
				unsere schwer bedrängte, weil sie meist in guter Stellung war 
				und sehr gut schoß, durch unsere Haubitzen und Mörser zum 
				Schweigen gebracht, ja zweimal fand man sogar die feindlichen 
				Geschütze verlassen vor. 
				So hat diesmal im Kriege unsere schwere Artillerie ein 
				gewichtiges Wort mitzusprechen und wird hoffentlich mit dazu 
				beitragen, daß Festung um Festung fällt und unser tapferes Heer 
				den Rücken zum weiteren siegreichen Vorrücken freibekommt ! 
				Wer unsere Offiziere und Soldaten draußen im Felde sieht, wer 
				mit ihnen lebt, darbt, sich freut und leidet, der sieht getrost 
				in Deutschlands Zukunft und hofft, daß die Worte Geibels wahr 
				werden: 
				„Und es mag am deutschen Wesen 
				Einmal noch die Welt genesen."  |