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Août 1914 - Dragons
wurtembergeois
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Dragoner-Regiment "König"
(2. Württ.) Nr. 26 im Weltkrieg 1914-1918
Generalmajor z. D. Wehl
Ed. Stuttgart 1921
1. Die Lothringer Wochen.
Wenn wir ehemaligen Königsdragoner den Krieg rückschauend
betrachten, so stellt sich uns an seinen Beginn gewissermaßen
als ergreifenden Auftakt der feierliche Feldgottesdienst, der
unsere beschleunigte Mobilmachung im Hofe unserer schönen
Kaserne am 3. August nachmittags beschlossen hat. Das
Feldregiment zu Pferde: 37 Offiziere, 674 Mann, 754 Pferde (vgl.
die Kriegsranglisten in der Anlage) mit sämtlichen Fahrzeugen
hatte feldmarschmäßig im offenen Viereck Aufstellung genommen.
Sämtliche unmittelbaren Vorgesetzten waren zur Stelle. Der
Regimentskommandeur, Oberstleutnant Wehl, hatte unsern in
Ehrfurcht geliebten König und Allerhöchsten Regimentschef am
Eingang der Kaserne erwartet und in das Regimentsviereck
geleitet, wo dann der Feldgottesdienst sofort begann.
Es braucht wohl nicht besonders betont zu werden, mit welcher
Andacht dem Ernst der Stunde entsprechend den Worten unserer
beiden Garnisongeistlichen gelauscht wurde. - Nachdem der
Gottesdienst vorüber, schilderte der Kommandeur, wie unsere
Treue und Liebe für König und Vaterland jetzt ihren
gemeinschaftlichen Ausdruck in offener Kampfesfreude wider
unsere zum Kriege drängenden Feinde gefunden hätten. Und als ein
brausendes Hurra auf den Allerhöchsten Regimentschef diesen
neuen Schwur „der Treue bis zum Tode", den mancher bald einlösen
sollte, bekräftigt hatte, ritt der König tief ergriffen an der
Front seines geliebten Regiments entlang, das er, wie ein Vater
seine Söhne, mit seinen innigsten Wünschen für das Wohlergehen
jedes einzelnen entließ.
Darauf ging es noch für wenige Stunden in die Kaserne und dann
eskadronsweise auf die Verladebahnhöfe Nordbahnhof und
Güterbahnhof Untertürkheim.
Wißt ihr noch, Kameraden, wie wir da auszogen am Abend des 3.
August 1914? Wie rechts und links die Menge stand und uns
zujubelte, wie wir immer und immer wieder die Zügel fallen
lassen mußten, um alle die Hände zu schütteln, die sich uns
entgegenstreckten? Wie waren wir stolz, die Ersten zu sein, die
hinausdurften, das liebe, gefährdete Vaterland zu schützen, denn
lange, mein Gott, wie lange, ganze fünf Tage nach uns würde ja
erst die Infanterie ausrücken! Wie fühlten wir uns gehoben von
dem Bewußtsein, diejenigen zu sein, auf die es jetzt vor allen
ankam. Und insbesondere die Jungen, die noch kaum etwas gegolten
hatten im Rate der Männer, die waren jetzt die Auserwählten, die
Schützer all dieser Kinder und Frauen, die ihr festes Vertrauen
durch ihren hellen Jubel bekundeten.
Dann ging's über den Rhein, durch die Vogesen, und in den
schmutzigen und doch malerischen lothringischen Nestern Lirheim,
Altlirheim, Braunweiler bei Saarburg am 4. August abends in die
ersten Kriegsquartiere. Dort trat die 7. Kav.-Division zusammen,
unsere 7. K.-D,. der wir den ganzen Krieg über angehören sollten.
Ihr Führer war Generalleutnant v. Heydebreck, unser bisheriger
Kavallerieinspekteur, der uns erst vor kurzem noch in Münsingen
besichtigt hatte.
Zur Division gehörten außer unserer 26. (1. K. W.) die
preußische 30. und 42. Kav.-Brigade, die aus Drag.-Reg. 15 und
Hus.-Reg. 9, sowie aus den beiden gelben Ul.-Reg. 11 und 15
bestanden.
Ferner die Reitende-Abteilung Feldart.-Reg. 15 mit leichter
Munitionskolonne, Maschinengewehr-Abteilung 3, Pionier-Abteilung,
Nachrichten-Abteilung, eine bayr.
Radfahrer-Kompagnie und das bayr. Iäger-Batl. 1.
Die 7. Kav.-Division selbst gehörte mit der bayr. Kav.-Division
zur 6. Armee Kronprinz Rupprecht.
Während unsere Ulanen-Brigade mit wenigen Bataillonen westlich
Saarburg - ihrer Friedensgarnison - den Grenzschutz ausübte,
vergingen unsere ersten Tage mit kleinen Übungen zu Pferde und
zu Fuß. Die Kriegserklärung Englands und die uns schwer
enttäuschende Neutralitätserklärung unseres langjährigen
Friedens „Waffenbruders" Italien wurden am 5. August abends
bekannt und beleuchteten grell die Schwierigkeit unserer Lage:
die drei größten Großmächte Europas gegen uns und Osterreich,
dem unser Kaiser die Nibelungentreue „trotz allem" halten zu
wollen, sich verpflichtet hatte. Unsere Stimmung blieb dennoch
gut. Mochte kommen, was wollte, das gute Recht war auf unserer
Seite!
Am 8. August mittags wurde es endlich Ernst! Der erste richtige
stille Alarm hatte die Division schnell vereinigt und in flottem
Tempo ging es über St. Georg auf schöner, gerader, mit Pappeln
eingesäumter Staatsstraße bis zur Grenze und mit lautem Hurra an
den Grenzpfählen bei Foulcrey vorbei in Feindesland hinein! Weit
voraus die Patrouillen am Feind und auf der Suche nach ihm, sie
meldeten starke feindliche Kavallerie (2 Kav.-Divisionen) dicht
westlich Linie Igney-Blamont. Die Division selbst blieb auf den
Höhen bei Repaix und sicherte so unmittelbar unsere vordersten
Infanterielinien, die zum XXI. und I. bayr. Armeekorps gehörten.
Hier sahen wir auch gleich den ersten Fliegerbeschuß. Unsere „Reitende"
schoß plötzlich eine Lage nach der andern, doch umsonst suchten
wir feindwärts die Einschläge, bis wir endlich die Sprengpunkte
mit ihren luftigen Rauchwolkchen hoch über uns an den blauen
Himmel hingekleckst fanden und weit davon entfernt einen
blauweißroten Flieger, den wir noch gar nicht bemerkt hatten.
Wie dann später so oft, machte sich dieser unverletzt in stolzer
Fahrt davon. Spät abends ging es zu kurzer Rast nach St. Georg
ins Ortsbiwak zurück.
Schon am nächsten Tage, dem ersten Kriegssonntag, erhielten wir
unsere Feuertaufe. Mit der aufgehenden Sonne waren wir schon
wieder bei Repaxr. Bald wurde auf große Entfernung starke
feindliche Kavallerie gesichtet und eine emsige Nahaufklärung
begann. Chazelles wird von feindlichen Radfahrern besetzt
gemeldet. Die 26. Brigade soll Chazelles nehmen, während die
Division selbst im Verein mit der bayrischen Kav.-Division mit
der feindlichen Kavallerie „abrechnen" will. Da es aber
inzwischen schon Mittag geworden ist, wird erst noch getränkt
und gefüttert; dann geht es 2 Uhr nachmittags auf getrennten
Wegen unter Ausnützung des wald- und muldenreichen Geländes auf
Chazelles, das aber bald vom Feinde frei gemeldet wird. Dagegen
sollten aus dem Schlosse Grand-Seille, kurz vor Chazelles,
Schüsse gefallen sein, und so erhielt das Regiment Befehl,
genanntes Schloß von den dort vermuteten feindlichen Patrouillen
oder Franktireurs, mit denen man auch schon rechnen mußte, zu
säubern. Nachdem sich auch das als leeres Gerücht entpuppt hatte,
trat das Regiment jenseits Chazelles wieder zur Division, deren
reitende Abteilung gerade ihr erstes Duell mit der feindlichen
Artillerie begonnen hatte.
Bei der Entfaltung aus den Waldstücken südlich des Orts wurden
wir lebhaft von Schrapnells beschossen, denen sich nach kurzer
Zeit schwere Granaten aus Manonviller anschlössen. Zum erstenmal«
hörten wir das zischende Brausen und Summen über uns und das
Krachen der Einschläge vor und hinter uns, das allgemeines
reflektorisches Köpfeducken auslöste. Aber die Waldstücke boten
uns gute Deckung und wenn auch aus unserer „Abrechnung" nichts
geworden ist, so ist andererseits die vermutliche feindliche
Absicht, uns in das Feuer von Manonviller hineinzulocken, dessen
Kanonen um viele Kilometer weiter schossen, als bei uns bekannt
war, ebenfalls mißglückt. Abends wurden wir nach Blämont ins
Quartier geschickt. Da dieses Städtchen aber zum Merlaufen voll
von bayrischer Infanterie war, so biwakierte das Regiment in
einem Schloßpark dicht dabei. |
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Nun begannen in den nächsten Tagen dauernd Hin- und Hermärsche, die trotz
ihrer häufigen Geringfügigkeit bei der fast unerträglichen Hitze große
Anstrengungen bedeuteten. In der Hauptsache aber handelte es sich um
Patrouillentätigkeit. Sie brachte auch die ersten Verluste. Die Patrouille
des Leutnants Freiherr v. Podewils, die die fast unbegreiflicherweise
verloren gegangene Fühlung zwischen dem I. bayrischen und XXI. Armeekorps
wiederherstellen sollte, wurde auf schneidigem Erkundungs vorstoß bei
Embermenil abgeschossen. Der Führer geriet verwundet unter seinem
erschossenen Pferde in Gefangenschaft, seine Meldereiter kamen einzeln, zum
Teil erst nach acht Tagen, zu Fuß zum Regiment zurück. Auch Leutnant d. R.
Mayer war auf Patrouille durch Handschuß verwundet worden.
Am 13. August erhielt die 5. Eskadron einen
äußerst wichtigen und schwierigen Aufklärungsauftrag, der sie über
die Meurthe bis an die Mosel (Gegend Epinal) führen sollte. Aber
schon bei Badonviller stieß sie auf Bayern, die diesen Ort vor
starker Überlegenheit räumen mußten, und es konnte nur ein dortiger
starker Vormarsch der Franzosen gemeldet werden, die damals die
Versammlung ihrer Ostarmee beendet hatten und nun den Einbruch in
Lothringen zwischen Vogesen und dem Bannkreis von Metz wagen wollten,
der ihnen dann bald darauf in der Schlacht bei Saarburg so übel
bekommen ist.
Um das Hin und Her dieser ganzen ersten Tage zum besseren
Verständnis zu bringen, sollen die großen Verhältnisse der damaligen
Zeit kurz und übersichtlich zusammengefaßt werden, wobei dann
freilich noch einmal betont werden muß, daß sie uns allen damals
wesentlich weniger klar vor Augen lagen.
Die in Linie Mörchingen-Saarburg-Lützelhausen i. Breuschtal
aufmarschierten Armeen 6 und 7 bildeten auf der Westfront die linke
Flügelgruppe, die im Gegensatz zu den übrigen in Ausführung einer
ungeheuren Linksschwenkung durch Belgien begriffenen Armeen 1-5,
vorläufig versagt werden sollte. Während bei der 7. Armee der
Charakter des Gebirgskrieges in den Vogesen eine Reihe von schweren
Einzelkämpfen unvermeidlich machte, bereiteten die Hauptkräfte der
6. Armee nördlich von Mörchingen bis einschließlich Saarburg eine
einheitliche große Schlachtfront vor, auf die der Feind
unvorbereitet in tiefen Marschkolonnen stoßen sollte, während unsere
Armee aus ihr heraus völlig schlachtbereit zum überraschenden
Angriff vorbrechen konnte. |
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Der Einblick in diese
Vorbereitungen mußte unter allen Umständen dem Feinde verwehrt
bleiben. Zu diesem Zweck waren von unserer Stab 26. K.-B. beim
Picknick. Armee die beiden Kavallerie-Divisionen und starke
Vortruppen mit Artillerie über die Grenze vorgeschoben worden mit
dem allgemeinen Auftrage, feindliche Aufklärung nach Kräften zu
erschweren und nur langsam, d. h. nur vor ausgesprochener
Überlegenheit zurückzuweichen. So sollte der Feind die jedesmalige
Preisgabe einer verstärkten Stellung als einen richtigen Teilsieg
buchen und schließlich zu der trügerischen Annahme veranlaßt werden,
die Linie Metz-Straßburg, die mit Recht als fortifikatorisch
vernachlässigt galt, in kühnem Anlauf durchstoßen zu haben. Nur wenn
die Verschleierung gelang, konnte die Überraschung einsetzen. |
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So wurde uns also, den beiden Kavallerie-Divisionen und den
Vortruppen, durch Befehl ein dauerndes „Zurück" aufgezwungen, dessen
strategischen Zweck wir zuerst nur höchst ungern einsehen wollten,
um so mehr als wir auf unsere bisherigen kleinen taktischen Erfolge
schon glaubten stolz sein zu dürfen. Die 7. Kav.-Division befand
sich auf dem linken Flügel und neben uns fochten Teile des I. bayr.
Armeekorps. Wir hatten in der Hauptsache die Ausgänge aus dem
Gebirge zu sichern. Teilweise traten die Brigaden oder die
Regimenter geschlossen auf, meist wurden einzelne Schwadronen zur
Sperrung wichtiger Talstraßen weit ins Gebirge hineingesandt. Stets
standen in breiter Front Postenketten, die vor feindlichem Feuer nur
langsam und fechtend zurückwichen, namentlich aber im Sinne oben
erwähnter Verschleierung keiner feindlichen Patrouille irgend
Einblick gewährten. |
So ging es für uns langsam und zäh von Repaix, das der
Feind kurz nach unserer Räumung in Brand schoß, am Nordwesthang der Vogesen
über Saarburg bis Arzweiler in östlicher Richtung zurück, wobei wir
manchesmal nur durch Nachtmarsch dem immer näherrückenden Feind uns zu
entziehen vermochten. Als wir dort den linken Flügel der Hauptarmeefront
erreicht hatten, ging es am 18. August in stattlichem Bogen an Saarunion
vorbei, hinter die Mitte der Armee als Armee-Reserve nach Insweiler, von wo
unsere Brigade zur Ausfüllung einer Lücke wieder zwischen dem XXI. und I.
bayr. Res.-Armeekorps in die Gegend von Lauterfingen vorgeschickt wurde. Auf
dem Wege dorthin wurde festgestellt, daß der Feind Lauterfingen besetzt habe,
vor dem schwache deutsche Vortruppen den nördlich gelegenen Bahnhof hätten
räumen müssen.
Darauf erhielten um die Mittagszeit unsere Radfahrer-Kompagnie und die
Schützen einer Schwadron von den Olgadragonern Befehl, den Schutz für unsere
auf die Höhe zwischen Insmingen und Lauterfingen vorgezogene Reitende-Abteilung
zu übernehmen, während der Rest der Brigade am Waldrand hinter den Batterien
in Deckung ging.
Von unserer Stellung aus konnten wir ein breites, welliges Tal, mit
zahlreichen Baumgruppen, auf beiden Seiten von Wäldern eingesäumt, und im
Süden den Bahnhof Lauterfingen, dahinter den Kirchturm des Orts, erkennen.
Eine lange Zeit hörten wir auf verhältnismäßig breiter Front nur
Einzelgewehrfeuer, was freilich deutlich die gegenseitige Fühlungnahme
erkennen ließ. Plötzlich, kurz nach 3 Uhr, ertönte ein lebhafter, gut
genährter Feuerüberfall unserer Reitenden in Richtung Lauterfingen. Da
schlug uns allen freudig das Herz, denn nun war es klar, daß es endlich zu
einem wirklichen Gefecht gekommen war, bei dem wir uns als erste Reserve
bereitgestellt wußten. Wir erfuhren, daß starke feindliche
Infanterieunterstützungen im Marsch auf Lauterfingen von unserer Artillerie
wirksamst gefaßt und nun innerhalb des Dorfes weiter beschossen wurden, und
daß rechts vorwärts die 97er und die bayr. 17er, zum umfassenden Angriff
gegen das Dorf angesetzt seien, den wir in seiner geradezu parademäßigen
Form zum Teil deutlich beobachten konnten.
Mittlerweile war von der Artillerie des XXI. Korps das Feuer unserer
Abteilung mit zahlreichen Batterien aufgenommen worden und bald stand das
ganze Dorf in Flammen.
Als der Abend sank, wurde es mit klingendem Spiele genommen; wir brannten
auf den Befehl zur Verfolgung. Und richtig, da kam auch schon der
Ordonnanzoffizier von der Division; zahlreiche Offiziere eilen ihm entgegen,
aber sein Befehl lautet - Einrücken, denn inzwischen war festgestellt, daß
der Feind, nur kurz vom Dorf entfernt, schon wieder von starken Kräften
aufgenommen worden sei.
So verließen wir um 8 Uhr abends das verstummte Gefechtsfeld, das weithin
fast taghell von der Lohe der Dachfirste beleuchtet war, um wieder zu
unserer Division zurückzukehren. Die großen eigenen Truppenmengen, die
Aufräumungs- und Verstärkungsarbeiten, auf die wir überall auf unserem 40
Kilometer langen Marsche nach Insweiler gestoßen waren, und jetzt die enge
Berührung mit starkem Feind bei Lauterfingen ließen eine große Schlacht als
unmittelbar bevorstehend erscheinen.
Bei völliger Nacht rückte das Regiment in Münster ein, wo wir am nächsten
Tage alarmbereit blieben. Abends traf ein großer Angriffsbefehl des
Kronprinzen Rupprecht für den 20. August ein, der uns allen wie eine
Erlösung kam. Endlich sollte es wieder vorwärts gehen!
5 Uhr morgens war die Division als Armee-Reserve nach Insmingen bestellt. Um
dieselbe Zeit begann der deutsche Artilleriekampf, aus dem der Feind an
allen Teilen seiner über 80 Kilometer breiten Front bald mit Schrecken
erkannte, statt der mutmaßlichen Fortsetzung seiner Verfolgung auf eine zum
Angriff entwickelte starke Schlachtfront gestoßen zu sein, aus deren Armen
allein ein allgemeiner Rückzug retten konnte.
Um die Mittagszeit war der Feind überall im Weichen, nur bei Saarburg stand
er noch. Wir warteten von Stunde zu Stunde auf den Verfolgungsbefehl. Statt
dessen hieß es abends „in die alten Quartiere!" Erst am nächsten frühen
Morgen brach die 7. Kav.-Division und zwar leider von weit hinter der Mitte
der Armeefront, die ihrerseits bis tief in die Nacht nachgedrängt war, zur
Verfolgung auf*
In schlankem Trabe ging es in mehreren
Kolonnen über das große Schlachtfeld. Dicht lagen die Toten und auch
zahlreiche Verwundete, Deutsche und Franzosen, oft in ganzen Reihen. Zum
ersten Male sahen wir ein wirkliches Schlachtfeld. Wißt ihr noch den Wald
von Lauterfingen, in der die Hunderte deutscher Iäger lagen, wißt ihr noch
den Wagen vor dem Ort, der an den Stechpuppenwagen vom Ererzierplatz
erinnerte, aber voll von Leichen war? Wißt ihr noch den französischen
Artilleriegeneral, der, noch im Sattel sitzend, mit dem Oberkörper auf
seinem toten Pferde lag? Wißt ihr noch den kleinen Trommlerjungen, der neben
der Chaussee lag mit der schrecklichen Wunde, die die ganze Brust über
seinem weißen Schurz aufgerissen hatte und der doch noch lebte? Ist einer
unter uns, der das gesehen und es je wird vergessen können?
Allmählich machte sich die Wirkung des
Sieges vom Tage vorher immer deutlicher bemerkbar. Züge von Hunderten, auch
von Tausenden von Gefangenen wurden auf den verschiedensten Straßen
eingebracht, Waffen, Geschütze, Fahrzeuge aller Art und massenhaft Tornister
lagen überall an den Straßen.
Wir aber ritten weiter, in immer gleichem schnellem Tempo bis zum Walde von
Moussey, wo plötzlich ein Halt zwischen diesem Walde und dem Rhein-Marne-Kanal
befohlen wurde, um unsere schweißtriefenden müden Pferde vom Kanal aus zu
tränken. Daß der Platz dazu bei seiner geringen Tiefe auch noch seitlich
durch Draht und sumpfige Gräben begrenzt war, wurde auf die leichte Schulter
genommen; es galt ja lediglich, schnell die Pferdekräfte zu heben, um desto
sicherer die ganz nahe winkenden Erfolge unseres anstrengenden Rittes
einzuheimsen. Kurz vor der Rast waren feindliche Batterien jenseits des
Kanals gemeldet worden, aber da es gleichzeitig hieß, sie seien von der
Bedienung verlassen - für uns war der Feind in haltloser Flucht -, so
sollten die Geschütze erst nach dem Tränken als sichere Beute weggeführt
werden. Es wurde daher-um den schmalen Raum möglichst auszunützen-wie sonst
wohl bei großen Paraden, in abgeschwenkter Regiments-Kolonne ohne Abstände
aufgerückt, abgesessen und die ungeraden Nummern mit den Tränkeimern an den
Kanal geschickt. Größte Eile wurde von allen Seiten eingeschärft.
Über dieser fast unbeweglichen Masse krepierten plötzlich mit scharfem
peitschenartigen Knall feindliche Schrapnelle, Lage um Lage,
glücklicherweise um rund 100 Meter zu weit. Aber es war auch so noch eine
heillose Überraschung. Trotzdem lief die Maschine automatisch weiter,
ungeachtet des übergroßen Druckes, unter dem sie so plötzlich stand. Die
Wasserholer kamen wie im Fluge heran, während die Pferdehalter wieder
aufkandarten und nach wenigen Sekunden saß das Regiment im Sattel. Um den
toten Winkel auszunützen, in dem sich der größte Teil der Division befand,
ließ der Kommandeur mit Zügen rechtsschwenken und den Sumpfgraben - nun also
in Regiments-Kolonne nach der Front-überwinden. Es gelang, obwohl Teile der
UlanenBrigade vor uns nach dem Walde zu kehrtgeschwenkt hatten. Sie glitten
wenig geordnet an uns ab. Auch der ohne Befehl gleich nach dem Graben
angeschlagene Galopp wurde durch Signal und durch persönliches Eingreifen
der Eskadrons- und Zugführer bald in ruhigen Trab gemäßigt.
Nach kurzer Zeit waren wir im Schutze des
Waldes. Verlust: 1 Mann verwundet, alles zur Stelle, kaum 1 Lanze verloren!
Es klang geradezu märchenhaft, vollends wenn man sich nachträglich überlegte,
wie die Sache hätte auslaufen können!
Die Division sammelte sich ziemlich
kleinlaut dicht bei Maiziöres, wo sie kaum zwei Stunden vorher in der
stolzen Erwartung durchgeritten war, den gestrigen großen Armeesieg bis zur
Vernichtung zu vervollständigen. Im Gegensatz hiezu war nun das Eine völlig
klar: Unsere kavalleristische Verfolgung war endgültig gescheitert, nicht an
einem unglücklichen Zufall oder unserem sträflichen Leichtsinn, sondern an
einem noch widerstandsfähigen Feinde, der seinen moralischen Halt
wahrscheinlich überhaupt nur in unserer vorgefaßten Meinung verloren gehabt
hatte, denn auf allen wichtigen Straßenzügen wurden jetzt kampfkräftige
Nachhuten festgestellt.
So hieß es sich bescheiden! Wir wurden am nächsten Tag in den allgemeinen
Vormarsch der Armee eingegliedert, die nur in breiter Front nachstoßen
konnte, um den Erfolg des Sieges wenigstens noch moralisch möglichst zu
erhöhen.
Dauernd waren unsere Patrouillen am Feind. Die Kriegstagebücher von zwei
Eskadronen bringen genau die Namen der Führer und Meldereiter der wichtigen
Tagespatrouillen, während die beiden anderen nur die Züge nennen, von denen
sie gestellt wurden. Es wäre also ungerecht, einzelne namentlich anzuführen,
während die Mehrzahl ungenannt bleiben müßte, die doch ebensogut ihr Bestes
und Äußerstes als Selbstverständlichkeit getan haben, wie es deutsche und
besonders wie es schwäbische Art ist: ohne viel Worte. Wie durch ein Wunder
kamen viele nach tausend Fährlichkeiten zurück, aber auch den Verlust der
ersten Toten hatte das Regiment zu beklagen: Die Patrouille des Leutnts. d.
R. Albrecht und Sergeant Wolsdorf (5. Esk.) sah sich am 21. auf der
Verfolgung einer feindlichen Patrouille plötzlich von feindlichen
Kürassieren umstellt. Trotzdem sie nahezu eine volle feindliche Eskadron vor
sich hatten, versuchten sie kurz entschlossen, sich durch eine Attacke Luft
zu machen, wobei beide Führer und Dragoner Schenk schwer verwundet wurden,
während es der übrigen Mannschaft gelang, in heftiger Gegenwehr sich einzeln
durchzuschlagen und das Regiment wieder zu erreichen. Noch am selben Abend
wurden die Vermißten mit zahlreichen Wunden, namentlich am Kopf, aufgefunden,
Dragoner Schenk schon tot, Leutnant Albrecht ohne Bewußtsein, das er auch im
Feldlazarett St. Iohann von Basel trotz bester Pflege nicht wieder erlangt
hat, während Sergeant Wolsdorf bald wieder auf dem Wege der Besserung war.
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