Die Verhältnisse in Saarburg waren in
jeder Hinsicht sehr günstig, weniger in Dolfingen und Zittersdorf, 2 vom
Regiment vorübergehend belegte Nachbarorte. Man setzte Anzug und Ausrüstung
instand und merzte die Schäden aus, die in Rußland an Waffen, Pferden,
Fahrzeugen usw. entstanden waren. Allmählich begannen auch die Übungen. Die
Weiterbildung der jungen Dienstgrade und der nur flüchtig ausgebildeten
Landsturmleute wurde eifrig betrieben.
Um Stimmung, Geist und Kameradschaft zu heben, befahl der
Regimentskommandeur sogenannte Kompagnieabende. Eine oder zwei Kompagnien
versammelten sich hiezu bei Musik und Freibier in einem Wirtshaus. Offiziere
hielten Vorträge über die Welt- und Kriegslage, Sänger, Zitherspieler,
Deklamatoren und Komiker ließen sich hören, Turner und Schauspieler
befriedigten die Schaulust, Gäste kamen, auch tanzlustige weibliche.
Im Offizierskorps fanden taktische Besprechungen und Geländereiten statt,
aber auch im Kasino Vorträge über nichtmilitärische Gegenstände.*) Und wie
das Verhältnis von Offizieren und Mannschaft war, dafür mag ein Beispiel
berichtet werden. Im Regiment waren bei den Verwendungen, von denen nachher
erzählt werden soll, ziemlich viel Leute erkrankt. Als nun einmal der
Regimentskommandeur zum Besuch ins Lazarett kam, da empfing ihn die
Krankenschwester mit den Worten: „Ja natürlich; nach den Württembergern, da
sehen ihre Offiziere immerzu, um die andern kümmert sich kein Mensch." Nie
aber kam der Regimentskommandeur in das Lazarett ohne einen großen Vorrat
von getrocknetem Obst und ähnlichen für Kranke erlaubten Leckereien.
Bei einem Kompagnieabend sangen in demselben Gesangverein 2 Brüder mit, der
3. dirigierte; es waren ein Leutnant, ein Unteroffizier und der Dirigent ein
Gefreiter, im bürgerlichen Beruf Lehrer.
Der Höhepunkt der Saarburger Zeit war aber ein Besuch unseres Königs am 29.
November. Im großen Kasernenhof standen die württen, bergischen Truppen der
Division, Seine Majestät schritt die Front ab und sprach viele Leute an.
Dann hielt er eine Rede, auf welche der älteste württembergische Offizier,
Generalleutnant von Fritsch **) antwortete. Es folgte ein Vorbeimarsch, nach
diesem begab sich der König zum Frühstück in das Offizierkasino des
Regiments, wo ihm an dem kalten Novembertag heiße Schützenwurst mit
Sauerkraut vorzüglich schmeckte. Nach dem Frühstück fuhr er fort zum Besuch
anderer, in der Gegend befindlicher Württemberger, kehrte aber zum
Abendessen zu uns zurück.
In Saarburg war damals an Essen und
Trinken alles zu haben, aber zu unsinnig teuren Preisen. Denn die Einwohner
beeilten sich nach Kräften, an der Einquartierung reich zu werden. Die
Offiziere, auf das Abendessen im Wirtshaus angewiesen (mittags aß man
gemeinsam im Kasino, die Zutaten zu der gelieferten Verpflegung kosteten
1.20 Mk. täglich), wurden hier schamlos ausgenützt, bis es gelang, im Kasino
ein zwar sehr einfaches, aber billiges Abendessen einzurichten.
Am 7. Februar war für das Regiment eine große Demonstration befohlen, um die
Aufmerksamkeit des Feindes von andern Stellen der Front abzulenken. Beim
Abmarsch glaubte jedermann, es gehe ernstlich an den Feind, nur der
Regimentskommandeur wußte Bescheid. Aber singend und jubelnd zogen die
Kompagnien hinaus.
Während des Aufenthalts in Saarburg lösten wir wiederholt andere Regimenter
aus der Front ab, damit dieselben ausruhen konnten. Dies geschah vom 8.-17.
November bei Vaucourt-Remoncourt und vom 2.-16. Dezember südwestlich
Avricourt. Vom 1.-19. Januar 1916 mußten die Bataillone des Regiments hinter
der deutschen Front schanzen. Von Mitte Februar bis 10. März 1916 hatte das
Regiment wieder eine Stellung besetzt, westlich Avrieourt, bei Leintrey.
Die Schützengräben, die in Frage kamen, waren in allen 3 Fällen recht gut
ausgebaut, der Feind verhielt sich ruhig, die Zahl der Verluste blieb gering.
Aus der Zeit des zweiten Einsatzes, 2.-16. Dezember ist aber etwas
Besonderes zu berichten.
Es regnete. Es regnete nicht einen normalen Regen, sondern es goß und goß
weiter. Und wenn der Regen einen Augenblick aussetzte, gewissermaßen um neue
Kräfte zu sammeln, so fiel in der Zwischenzeit Schnee. Der Boden wurde
grundlos, die Schützengräben zu Bachbetten, aus denen heraus man flüchten
mußte, aus dem Wasser auf das sumpfig weiche Ufer. Bei den Franzosen war es
noch schlimmer, denn ihre Stellung lag tiefer. Da stand man sich gegenüber,
deckungslos, und hielt Waffenruhe.
Man schöpfte Wasser, baute Abzugsgräben und nützte die Lage aus. Z. B.
schritt ein Unteroffizier die Entfernung zum Gegner über einem deutschen
Minenstollen ab, scheinbar ganz harmlos; jedem begegnenden Franzosen
schenkte er eine Zigarre. Die Zahl der Kranken aber schwoll in dieser Zeit
trotz aller Vorbeugungsmaßregeln sehr an. Doch Stimmung und Humor im
Regiment konnten all diese Übel nicht beugen.
* Hiebei sprachen Oberstleutnant
Fromm, Oberleutnant Fischer, Dr. Malade u. a. Auch sebr viel musiziert wurde
an diesen Abenden.
** Sein Bild siehe Titelbild.
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