Das
Württembergische Reserve-Inf.-Regiment nr 122 im Weltkrieg
Ernst Mügge
Ed. Stuttgart, 1922
Zum zweitenmal in Lothringen.
Mitte Februar bis Mitte Mai 1917.
Mitte Februar wurde das
Regiment im Verband der 7. Landwehr-Division nach Lothringen
abtransportiert. Die Fahrt ging von Lutterbach über Schlettstadt
- Saarburg nach Heming; von dort im Fußmarsch über Cirey nach
Harbouey, wo das jeweilige Ruhebataillon quartieren sollte. Das
Dörfchen lag etwas erhöht. Es war von der Zivilbevölkerung
geräumt und zum größten Teil zerstört; von der Kirche war nur
noch ein großer Steinhaufen zu sehen. Das Regiment löste das Res.-Inf.-Reg.
67 in seiner Stellung ab. I. Bataillon bezog am 18. Februar mit
allen Kompagnien die vordere Stellung.
Dieselbe verlief fast ganz im Haies-Wald, der mit Buchen, Eichen,
Tannen und dichtem Unterholz bestanden war. Der Gegner lag etwa
300 Meter entfernt ebenfalls in einer Waldstellung, die verdeckt
lag, so daß bei uns der Verkehr meist außerhalb der Gräben
stattfand. Unsere Stellung war sehr ruhig, nur einzelne
Postenschüsse fielen, das Artilleriefeuer war sehr schwach. Vor
der ersten Linie war ein 40-50 Meter breites gutes
Drahthindernis, vor welches Schleierposten geschoben wurden. Von
den vier in vorderer Linie befindlichen Kompagnien hatte jede
einen Zug in Montreur bezw. Nonhigny in Reserve. Die Stellung war
noch nach veralteten Grundsätzen angelegt; die Gräben waren zu
eng und gradlinig, ohne Flankierung, mit Faschinen verschalt und
schwachen Schulterwehren versehen.
Schußsichere Unterstände gab es nicht.
Weiter rückwärts war eine Rester- und Stützpunktlinie mit
splittersicheren Unterständen begonnen
worden. - Die Aufgabe des Regiments ergab sich so von selbst:
Ausbau der Stellung nach den
neuen Erfahrungen.
Bald begann im ganzen Abschnitt ein eifriges Arbeiten; Pickel
und Schaufes wurden emsig geführt, Material herbeigeschafft,
gezimmert und betoniert, die Hindernisse verstärkt und Stollen
angelegt. Eine M.-G.-Zwischenstellung erstand neu. Weiter
rückwärts wurden Stützpunkte und ein Regimentsgefechtsstand
geschaffen. Der Ort Nonhigny wurde befestigt. Die Arbeiten
wurden durch den zeitweisen Mangel an Materialnachschub,
namentlich aber durch die Witterung und die schwierigen
Wasserverhältnisse sehr erschwert. Bisweilen wurden alle Kräfte
beansprucht, um das eingedrungene Wasser auszuschöpfen oder
auszupumpen ; einige Anlagen mußten ganz aufgegeben werden. Bei
dem Ruhebataillon kam noch hinzu, daß die Arbeitsstellen über
eine Stunde von Harbouey entfernt lagen und der Anmarsch vor
Tagesanbruch erfolgen mußte. Aber trotz allem machte die Arbeit
gute Fortschritte. Die Stellung wurde wesentlich besser und
verteidigungsfähiger. - Auch auf die Erhaltung der
Kriegstüchtigkeit wurde besonderer Wert gelegt. Täglich fanden
Schulschießen mit Gewehr und M.-G. 08, sowie Handgranatenwerfen
statt, zum Teil dicht hinter der vorderen Linie. Auch die
Sturmtrupps wurden ausgebildet und Gefechtsübungen der
Infanterie in Verbindung mit Fliegern (Ifl.) abgehalten. Die
Kompagnien machten in der Stellung zahlreiche schneidige kleine
Patrouillenunternehmungen. So gelang es in der Nacht vom 31.
März auf 1. April 1917 einer Patrouille unter Vizefeldwebel
Fischer mit 2 Unteroffizieren und 16 Mann der 2. Kompagnie,
einen feindlichen Posten vom Territorial-Regiment 52 auszuheben
und nach heftiger Gegenwehr unverwundet zurückzubringen. Auf
mehreren Patrouillengängen, besonders in der Nacht vom 29/30.
März wurde das fünffache Drahthindernis durchschnitten und so
die Unternehmung wirksam vorbereitet. Anläßlich dieser
schneidigen Unternehmung wurden ausgezeichnet: Vizefeldwebel
Fischer mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse, Landsturmmann Stiefel,
Musketier Mägle, Eberspächer, Spohn, Haag mit dem Eisernen Kreuz
II. Klasse. - Am 2.April wurde der Division die Ehre des
Besuches Sr. Maj. des Königs von Württemberg zuteil. An der
Parade im Schloßpark von Cirey nahmen das Ruhebataillon (III.)
und Abordnungen teil.
Welch schönen Erfolg, Ausdauer, Unternehmungsgeist und forsches
Zufassen zeitigen, bewies auch ein Patrouillengang des
Vizefeldwebels Trump der 11. Kompagnie mit Unteroffizier Bader,
Hummel, den Gefreiten Schocker, Schmid, den Musketieren Knosp,
Hinz, und dem Ersatzreservisten Saile. Durch häufige Erkundungen
hatte sich der Führer, der schon mehrmals in denselben Graben
eingedrungen war, genaue Kenntnis von der feindlichen Stellung
verschafft und drei Unterstände festgestellt, die nicht belegt
waren. Am 15. April, bei Morgengrauen, schnitt unser wackerer,
unermüdlicher Trump mit seinen Leuten eine Gasse durch das 20
Meter breite Hindernis und drang dann durch einen
Entwässerungsgraben in den ersten feindlichen Kampfgraben ein.
Die nächsten Unterstände wurden leer gefunden; frische Fußspuren
ließen jedoch darauf schließen, daß der Graben benutzt wurde.
Die Patrouille legte sich auf die Lauer. Und richtig nach
einigen Stunden kam ein patrouillierender Posten auf den
Unterstand zu. Unteroffizier Bader sprang auf ihn los und packte
ihn, worauf sich der Franzose vom Territorial-Regiment 37 ohne
Widerstand ergab. Ohne vom Gegner bemerkt zu werden, kam die
Patrouille zurück und brachte noch wertvolle Aufschlüsse über
den Zustand des feindlichen Grabens mit; eine in ihm befindliche
Telephonleitung zerstörte sie. Die wohlverdiente Auszeichnung
wurde allen Teilnehmern der Patrouille zuteil. Vizefeldwebel
Trump wurde zum Leutnant d. R., Unteroffizier Hummel zum
Vizefeldwebel, Gefr. Schmid zum Unteroffizier und Saile zum
Gefreiten befördert; außerdem wurden beliehen: Unteroffizier
Bader mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse, Gefr. Schocker und Hinz
mit dem Eisemen Kreuz II. Klasse, Musketier Knosp mit der
Silbernen Militär-Verdienstmedaille. - Noch manch schneidige
Patrouille wurde in den nächsten Wochen ausgeführt und brachte
wertvolle Feststellungen, so von Vizefeldwebel Scheub (11.
Kompagnie), Unteroffizier KinkelinundGefr.Jäger(9. Komp.). Auch
der Gegner zeigte sich nun lebhafter in seiner Erkundungstätigkeit.
Inzwischen war der Frühling herangekommen. Der Wald begann aus
seinem Winterschlaf zu erwachen, der Waldboden grünte, die Bäume
schmückten sich mit frischem Laub und die Vöglein zwitscherten
fröhlich ihre Lieder. Da erfolgte Mitte Mai die Ablösung der
Division. Mit frischem Mut ging's neuen Taten entgegen.
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