Hermann
Stegemanns Geschichte des Krieges - v. 3
Hermann Stegemann
Ed. Stuttgart - Berlin, 1915
Der Feldzug im Westen vom 15. Febr. bis 5. April 1915
Der Kampf an der Vezouse
Am die Zeit, da der rechte Flügel Gaedes
zum ersten Angriff auf denReichackerkopf schritt, stieg auch der
rechte Flügel der Armeeabteilung v. Falkenhausen aus den Gräben.
Falkenhausens äußerster linker Flügel wurde durch die
Landwehrbrigade Ferling gebildet, die am Col du Bonhomme stand.
In der Mitte focht das XV. Reservekorps, das den Salespaß hütete
und die Hügel von Ban de Sapt besetzt hielt und im Plainetal der
84. Landwehrbrigade die Hand reichte. Die 84. Landwehrbrigade
verteidigte den stark besetzten Donon und war mit Posten zur
Plaine herabgestiegen, gegen deren Oberlauf die Franzosen seit
dem Rückzug der 7. Armee von der Mortagne andrängten, um auch
das obere Vezousetal zu gewinnen und die Deutschen am Donon zu
fesseln. Sie spähten verlangend zur Saarburger Lücke hinüber und
hatten ihre Linien allmählich gegen Cirey vorgeschoben. Die
Saarburger Lücke wurde durch die 19. Ersatzdivision gedeckt, in
deren Verband Sachsen und Preußen fochten. Am äußersten rechten
Flügel der Armeeabteilung Falkenhausen standen am Rhein-Marne-Kanal
in der Gegend von La Garde die 5. und die 1. bayerische
Landwehrdivision, deren Flanken von der rückwärts gestaffelten
7. Kavalleriedivision gehütet wurden.
Zwischen der 84. Landwehrbrigade und der 19. Ersatzdivision
befand sich eine brüchige Stelle. Es war ein tief einspringender
Winkel, der Saussenrupt in französischem Besitz ließ und den
Zusammenhalt der deutschen Linien gefährdete. Die Franzosen
hatten ihre Hauptstellung zwischen der Plaine und dem Rhein-Marne-Kanal
auf dem Kochland von Mondon und Parroy errichtet und ein
Spinngewebe von Außenstellungen über Blamont-Remoncourt-Celles-Badonviller-Embremenil
gegen Allarmont-Angomont-Cirey vorgeschoben. Sie beherrschten
das Plaine- und Vezousetal und besaßen in dem geräumigen Wald»
und Weideland von Badonviller große Bewegungsfreiheit.
Allmählich verstärkte sich der französische Druck auf die
Saarburger Lücke und den Dononpaß so sehr, daß der
zurückgebogene linke Flügel der 19. Ersatzdivision die
Verbindung mit der 84. Landwehrbrigade zu verlieren drohte.
Am die Lage zum Besseren zu wenden, beschloß Generaloberst v.
Falkenhausen im Februar 1915, aus der unvorteilhaften Stellung
am Oberlauf der Plaine und Vezouse hervorzubrechen und den
vorspringenden Winkel von Saussenrupt abzuquetschen. Es galt,
dem Donon einen breiteren Sockel zu schaffen und aus den Tälern
der Plaine und der Vezouse wieder auf die durchschnittene
Hochfläche von Badonviller und Blamont zu gelangen, die man im
August kämpfend überschritten hatte. Als die Deutschen zum
Angriff rüsteten, wartete ihrer starker Widerstand. Die
Franzosen hatten sich bei Bionville, Allarmont und Chapelotte
eingegraben und hielten die Straße, die vom Donon absteigend ins
Tal der Plaine nach Raon l'Etape und Rambervillers zieht, mit
Geschütz gesperrt. Sie beherrschten das obere Vezousetal von den
Höhen bei Angomont und Harbouey und hatten die Felsbrocken der
übergrünten Moränen zu Ringburgen zusammengetragen. Cirey und
Blamont waren im Spätherbst nach wechselnden Kämpfen in
französischem Besitz geblieben. Am Rhein-Marne-Kanal standen die
Franzosen auf den Trümmern von Manonvillers dicht vor dem
blutgetauften La Garde und deckten die Zugänge von Lunéville und
die Südflanke der Befestigungen von Nancy.
Als die deutschen Kräfte am 27. Februar im Plaine- und
Vezousetal und am Rhein-Marne-Kanal zum Angriff antraten, trieb
Schnee und Regen in der rauh wehenden Luft. Die 1. bayerische
Landwehrdivision ging am Kanal von La Garde gegen den Waldrand
von Parroy und das Dorf Parroy vor, um den Angriff der 19.
Ersatzdivision auf Badonviller zu erleichtern. Die 19.
Ersatzdivision griff aus der Linie Blamont-Cirey-le Val an mit
dem Auftrag, sich der Höhenstellungen von Domèvre und Breménil
zu bemächtigen und das französische Zentrum über Badonviller in
zwei Nebentälchen der Vezouse, das der Blette und das der
Verdurette, gegen den Wald von Mondon zurückzuwerfen. Die 84.
Landwehrbrigade erhielt Befehl, links anschließend die Waldhöhen
von Angomont und das Forsthaus von Chapelotte bei Allarmont zu
nehmen und gegen Celles vorzudringen.
Nach kurzem Feuersturm griffen die Deutschen zu den Bajonetten
und liefen auf der ganzen Linie an.
In unwiderstehlichem Vorstoß wurden die französischen
Grabenstellungen und Waldverhaue überrannt. Die 84.
Landwehrbrigade erstürmte die Hochfläche, die sich zwischen
Celles und Badonviller ausbreitet, und die 19. Ersatzdivision
rang sich zu dem Höhenrücken von Breménil empor und warf die
Franzosen gegen die Blette. Um 4 Uhr nachmittags war die
Vereinigung der beiden inneren Angriffsflügel vollzogen.
Unterdessen trieb die 1. bayerische Landwehrdivision den Feind
am äußersten Nordflügel gegen den Parroywald und erreichte die
Linie Parroy-Embreménil. Das Dorf
Parroy wurde in Brand geschoffen und mit der blanken Waffe
erstürmt.
Doch die Franzosen waren nicht gesonnen, sich in den Verlust des
wichtigen Vorgeländes zu finden, und setzten im Dämmerschein des
Februar-abends zu heftigen Gegenangriffen an, die durch Reserven
aus dem Mondon-wald und dem Meurthetal gespeist wurden. Angriff
auf Angriff rollte gegen die verlorenen Stellungen, in denen der
Deutsche zugleich schanzte und stritt, um seinen Gewinn zu
behaupten. Vom 17. Februar bis 5. März erneuerten die Franzosen
ihre Versuche, die Hochfläche zwischen der Plaine und Vezouse
zurückzuerobern. Alpenjäger, Linienregimenter und Landwehr
wurden eingesetzt, Nachtangriffe ausgeführt, Überfälle in
Schneehemden gemacht, Artillerie in die Sturmlinien gezogen,
kurz, alles aufgeboten, was erfinderische Taktik und Tapferkeit
vermögen, um die Scharte auszuwetzen. Doch alles war umsonst.
Die Deutschen ließen sich nicht wieder ins Plainetal und über
die Vezouse werfen und standen auf den Felsenkanzeln und in den
Wäldchen der welligen Hochfläche von Badonviller und Blamont
festgewurzelt. Die deutsche Linie war verkürzt und geradegezogen,
ein Geländestreifen von 20 Kilometer Breite und 6 Kilometer
Tiefe ausgeräumt und ein breites Glacis um die Dononstellung
gelegt. Es war der größte Geländegewinn, der im Vorfrühling des
Jahres 1915 im Stellungskrieg erstritten worden ist. |