Mit den Olga-Dragonern im
Weltkrieg.
Hans Gais
Die württembergischen Regimenter im Weltkrieg 1914-1918
Herausgegeben von Oberst H. Flaischlen
Dragoner-Regiment Königin Olga (1. Württ.) Nr. 25
Ed. Stuttgart, 1920
Die 7. Kavallerie-Division
wurde am 8. August gegen 11 Uhr vormittags alarmiert, sammelte
sich auf der Straße Heming-St. Georg und trat kurze Zeit darauf
den Vormarsch an. Beim Passieren der Grenzschutzlinie schlossen
sich die 1. und 4. Eskadron wieder dem Regiment an. Gegen 5 Uhr
nachmittags überschritt das Regiment mit Hurra die Grenze bei
Foulcrey. Mit der französischen Kavallerie kam die Division an
diesem Tage allerdings nur mit ihren Aufklärungsorganen in
Fühlung.
Das Kavalleriegefecht bei
Chazelles
9.8.14. An frühen,
strahlenden Sonntagsmorgen des 9. August versammelte sich die
Division dicht an der Grenze nordöstlich Gogney und ging in die
Gegend südlich der Höhe 351, 500 Meter westlich Repaix
vor. Die Stimmung war
vorzüglich, denn es bestand nun tatsächlich die Aussicht, an den
Feind heranzukommen. Alle waren wir überzeugt, leicht mit den
Franzosen fertig werden zu können, denn wo man bisher
französische Kavallerieabteilungen gesehen hatte, entzogen sie
sich schleunigst unseren Patrouillen. Sie schienen bei Tage nur
selten Patrouille zu reiten, ganz anders als wir. Überhaupt war
es zweifelhaft, ob es die französische Kavallerie auf einen
Kampf mit der blanken Waffe würde ankommen lassen, zumal sie
sich ja sagen mußte, daß sie selbst nach einem Sieg durch
unseren Grenzschutz hinter den Kanälen wohl nicht hindurchkommen
konnte.
Hinter den Höhen südlich Repaix marschierte die Division auf,
die 26. Kavallerie-Brigade in Doppelkolonnen am linken Flügel,
Dragoner-Regt. 25 war linkes Regiment. Von der Höhe 35l westlich
Repaix war feindliche Kavallerie westlich Chazelles in Stärke
von ungefähr 2 Brigaden und Radfahrern deutlich zu erkennen. Die
reitende Abteilung der Division fuhr in 3 Gruppen in
Lauerstellung, eröffnete das Feuer aber zunächst nicht, da die
Entfernung noch zu weit war.
Die 5. Eskadron wurde 9 Uhr vormittags auf Verdenal und gegen
die Waldstücke westlich Verdenal zum Schutz der linken Flanke
und zur Aufklärung der Verhältnisse beim Feind entsandt. .9.30
Uhr vormittags sandte Rittmeister Schmetzer die Meldung, bei
Chazelle seien mit Sicherheit französische Kürassiere
festgestellt, die Einwohner von Verdenal verhielten sich äußerst
feindselig. Ob der Feind in Verdenal aus bewaffneten Einwohnern
oder feindlicher Infanterie bestand, war zunächst nicht
festzustellen. Nach Angaben des Gefreiten Vollmer, der eine
Patrouille auf Verdenal mitgeritten hatte, ritten die Dragoner
zunächst bis Höhe 318 östlich Verdenal vor. Sergeant Töpfer
wurde vom Patrouillenführer, Leutnant d. R. Jacob, mit der
Beobachtung nach links gegen den Wald nordwestlich Blämont
beauftragt, wo er schwache Schützen und dahinter eine feindliche
Eskadron bemerkte. Die Dragoner Maier, Kappes und Spitzer wurden
über Punkt 318 weg gerade auf Verdenal entsandt. Dort erhielten
sie sehr heftiges Feuer vom Dorfrande, so heftig, daß es
schwerlich bloß Franktireurs gewesen sein dürften. Der Reservist
Maier bekam dabei einen Schuß in die Schulter, konnte sich aber
mit Hilfe der Kameraden noch eine Zeitlang zu Pferde halten. Die
Patrouille ritt nun nach dem Hüttenwerk östlich Verdenal zurück,
wo ein Unteroffizierposten des 12. bayr. Inf.-Regts. stand.
Maier mußte vom Pferde heruntergenommen werden und verstarb nach
wenigen Augenblicken. Der Krieg hatte sein erstes Opfer im
Regiment gefordert.
Am Hüttenwerk war nun auch die Eskadron Schmetzer angekommen,
sowie von Norden eine der Division zugeteilte bayrische
Radfahrerkompagnie unter Hauptmann Bisle. Rittmeister Schmetzer
ging nun mit der ganzen 5. Eskadron auf die Höhe 318 vor und
meldete gegen 11 Uhr vormittags französische Reiter mit blauen
Röcken in Grand Bois, schwache Schützenlinien auf der Höhe
östlich Domevre und etwas später außerdem den Marsch
französischer Radfahrer mit Maschinengewehren von Chazelles auf
Gondrexon. Die 5. Eskadron und die Radfahrkompagnie hielten es
auf dies hin für angezeigt, die Gegend von Verdenal zu verlassen
und sich näher an die Division heranzuziehen.
Gegen 1.30 Uhr nachmittags traf bei der 26. Kavallerie-Brigade
ein Befehl der Division zum Vormarsch ein. Die Brigade sollte
als linke Kolonne der Kavallerie-Division über die Höhe 348 (1
Kilometer südwestlich Repaix) auf Grand Seille-Chazelles
vorgehen. Das Drag.-Regt. 25 hatte die Vorhut, die 5. Eskadron
war Vorhuteskadron. Die Brigade beauftragte das Drag.-Regt. 25,
den vorliegenden Wald zu nehmen. Drag.-Regt. 26 sollte folgen.
Der Auftrag kam dem Regiment zunächst als kaum ausführbar vor.
Der ganze Wald war noch vor kurzer Zeit als besetzt gemeldet
worden. Bis an den Waldrand war 1200 Meter deckungsloser Hang.
Wie sollte man durch den Wald kommen ? Mit Schützengefecht ? Das
war bei der Eile, die nun plötzlich erforderlich war,
ausgeschlossen. Es ging wie so oft: „Lang hat man gewartet, arg
lang hat man gewartet, aber als es dann losging, da hat's
furchtbar pressiert." Also eine Spitze unter Leutnant Brandes im
Galopp gegen den Waldrand, die 5. Eskadron im Trabe den Buckel
herunter... Wann werden die ersten Schüsse fallen ? [ICI] Als
die Spitze sich dem Waldrand näherte, ging ein Aufatmen durch
den Stab, der Gegner hatte sich also dünne gemacht. Der Stab
hielt sich dicht hinter der 5. Eskadron, die andern 3 Eskadrons
folgten scharf auf. Alles wollte nun möglichst rasch hinter den
Ausreißern her, aber - blinder Eifer schadet nur - schon hatte
die Vorhuteskadron einen falschen Weg eingeschlagen und saß in
Kolonne zu einem im Gestrüpp fest. Kurz entschlossen wurde kehrt
gemacht. Die 4. Eskadron übernahm die Vorhut und war bald auf
den, richtigen Weg. Grand Seille war besetzt gemeldet. Die
Straße führte gerade darauf zu, links und rechts Gebüsch. Wieder
die Gewissensfrage: Soll nicht noch gewartet werden und erst
eine Patrouille vor ? Aber es eilte, zu sehr hatte sich alles
schon geärgert, daß die französische Kavallerie-Division aus
Lunéville seit 24 Stunden uns auswich, wir wollten sie doch aus
dem Felde schlagen. Also los ! Und wieder hatten wir Glück. Auch
hier hatte der Gegner geräumt. In ununterbrochenem Trabe führte
der Kommandeur sein Regiment vorwärts. Bald wurden im Walde die
Radfahrer des Hauptmann Bisle, die von Verdenal her kamen,
überholt. Diesen ersuchte Oberstleutnant von Gleich, möglichst
bald den Westrand von Chazelles zu erreichen. An der Spitze
seiner Vorhuteskadron eilte der Kommandeur durch Chazelles
hindurch auf die Höhe 297 südwestlich Chazelles. Von dort aus
waren in Richtung St. Martin-Herbéviller dicke Staubwolken zu
sehen. Die 1. Eskadron wurde beauftragt, in die linke Flanke
eine Patrouille zu entsenden, wozu Oberleutnant Spieß bestimmt
wurde, der auch sofort in langem Galopp anritt. Kurze Zeit
darauf konnte der Regimentskommandeur dem Generalleutnant von
Heydebreck, der vor den übrigen Truppen auf Höhe 297 eintraf,
die getroffenen Maßnahmen melden. Er sprach die Vermutung aus,
daß anscheinend stärkere französische Kavallerie
vor uns wäre. Die Aussicht nach vorne war indessen durch die
nächst vorgelagerte Höhe beschränkt. Auf diese wurde nach ganz
kurzer Atempause die Vorhuteskadron entsandt. Sie ging im Galopp
auf die Höhe l Kilometer nördlich St. Martin vor und saß dort
eiligst zum Gefecht zu Fuß ab. Außer der 1. Eskadron und den
Radfahrern, war jetzt auch die 3. und ein Zug der 5. Eskadron
auf Höhe 297 eingetroffen. Trotzdem die Bewegungen auf den Höhen
südwestlich Chazelles in Sicht und Reichweite des Forts
Manonviller waren, faßte General von Heydebreck den Entschluß,
dem Feinde auf den Leib zu rücken. Maschinengewehre und
Artillerie wurden beschleunigt vorgezogen. Sie 42. Kavallerie-Brigade
sollte hinter den Höhen auf dem äußersten rechten Flügel
aufmarschieren, während die 26. Kavallerie-Brigade dicht an den
Waldrand heranrücken sollte. Die 26. Kavallerie-Brigade stand
östlich Punkt 297 zur weiteren Verfügung des
Divisionskommandeurs. Oberstleutnant von Gleich hielt mit seinen
Eskadrons bei Notre Dame de Lorette. Bald darauf erschienen die
Maschinengewehre des Hauptmann von Pogrell ebendort an der
Waldecke und fast gleichzeitig fuhr unsere Artillerie ziemlich
nahe rechts von ihnen auf der Höhe auf. Unterdessen hörte man
vome ein kurzes, sehr heftiges Infanteriefeuer,- es war die
Eskadron von Lindenfels, die eine stärkere, zurückgehende
Kavalleriekolonne beschoß. Oberleutnant Spieß hatte diese
Kolonne, die mindestens eine Brigade stark war, sehr frühzeitig
dem Divisionskommandeur gemeldet. Dieser kam im Galopp mit
seinem Stabe in dem Augenblick bei der 4. Eskadron an, als diese
lebhaftes Infanteriefeuer aus dem Dorfrande von St. Martin
erhielt. Rittmeister Freiherr von Lindenfels besetzte mit seinen
Schützen sofort den Höhenrücken in Richtung auf den Dorfrand und
nahm das Gefecht auf. Die reitende Abteilung eröffnete nun
ebenfalls mit sichtlichem Erfolg das Feuer auf die zurückgehende
Kavalleriekolonne. Es dauerte eine ziemliche Weile, bis der
Feind antwortete. Das erste feindliche Schrapnell krepierte
zwischen der Artillerie und dem Aufstellungspunkt des
Regimentsstabes, die nächsten Schüsse folgten rasch mit großer
Genauigkeit und ziemlich tiefen Sprengpunkten. Die auf
exponierter Höhe haltende 4. Eskadron zog sich langsam auf den
rechten Flügel der Division zurück. Nachdem die Franzosen eine
Zeitlang auf die Batteriestellungen gefeuert hatten, begannen
sie auch das Gelände rückwärts der Artillerie abzustreuen.
Gleich einer der ersten Schüsse fiel mitten in den Zug des
Leutnant Loos der 1. Eskadron. Nun befahl der
Regimentskommandeur „im Schritt mit Zügen linksum kehrt
schwenken" und ließ das Regiment in ziemlich heftigem Feuer
zurückgehen. Alle Bewegungen wurden mit großer Ruhe und in
voller Ordnung ausgeführt mit Ausnahme eines Zuges der 5.
Eskadron, in den ebenfalls ein Geschoß hineintraf, wodurch der
Zug einen Augenblick auseinanderflatterte, aber sehr bald
Ordnung und Geschlossenheit wieder gewann. Das Regiment
schwenkte nach einigen hundert Metern wieder Front. Die Verluste
waren gering: Unteroffizier Maltzahn, die Dragoner Finkbeiner
und Neuberger waren verwundet worden, 2 Pferde waren tot, einige
verwundet. Es kam dies daher, weil die französische Munition
sehr schlecht war und ungewöhnlich viele Ausbläser vorkamen. Das
Schießen der Franzosen war an sich sehr genau und gut. So
dauerte der Artilleriekampf einige Zeitlang fort, bis endlich
auch das Fort Manonviller mehrere schwere Granaten herüber
sandte. Sie reichten indes nur bis zum rechten Flügel der
Division, wo sie nur wenig Schaden, aber insbesondere beim
Ulanen-Regt. 11 ziemliche Unordnung anrichteten. Der
Divisionskommandeur entschloß sich nun zurückzugehen, da ein
Stehenbleiben in nächster Nähe des Forts unmöglich war. Auch die
feindliche Kavallerie war verschwunden. Es kam Befehl, auf den
alten Platz hinter Höhe 351 nordwestlich Repaix abzumarschieren.
5.15 Uhr nachmittags trat das Regiment als Nachhut, ohne vom
Feinde belästigt zu werden, an.
Der Oberleutnant Spieß war inzwischen zur Sicherung der linken
Flanke durch den Wald hindurchgeritten. Vom Waldrande
nordöstlich St. Martin konnte er genau feststellen, daß die
Wirkung unserer Artillerie in der Tat vortrefflich war. Alles
war in größter Unordnung auf Herbéviller zurückgeflutet, viele
Pferde und Leute waren liegen geblieben. Oberleutnant Spieß
schoß sich dann noch mit einigen französischen
Kürassierpatrouillen herum und rückte hierauf ein. Bei Grand
Seille traf das Regiment auch den Rittmeister Schmetzer mit
Teilen seiner Eskadron wieder, er war in dieser Gegend
zurückgeblieben, um den Wald abzusuchen. Veranlassung dazu war,
daß die Patrouille des Leutnant d. R. Jacob aus dem Park des
Schlößchens Grand Seille angeschossen worden war. Man glaubte,
eine Zeitlang, es seien Franktireurs, doch konnte es nicht mit
Bestimmtheit nachgewiesen werden. Leutnant Jacob, der ganz
allein seiner Patrouille vorausgeritten war, erhielt einen Schuß
ins Bein und stürzte vom Pferde. Eine Zeitlang war er vermißt,
wurde aber dann von der Artillerie aufgefunden und auf einem
leeren Munitionswagen zum Verbandsplatz in Repaix
zurückgeschafft.
Gegen 9 Uhr abends kam der Befehl zum Übergang zur Ruhe, der der
26. Kavallerie-Brigade Blämont als Quartier anwies. Als das
Regiment in voller Dunkelheit dort ankam, zeigte es sich, daß
bereits eine bayrische Infanterie-Brigade im Städtchen lag. Dem
Regimentskommandeur wurde vom Brigadekommandeur anheimgestellt,
nach Barbas zu rücken. Auf den, Marsche dahin meldete bayrische
Infanterie, daß feindliche Infanterie, von einer besetzten
Stellung westlich des Dorfes, Barbas so gut wie beherrsche. Das
Regiment biwakierte nun in dem feuchten, steilansteigenden Park
des Schlosses von Blâmont, die 5. Eskadron lag in der Gasfabrik
am Westausgang des Städtchens.
Das kleine Kavalleriegefecht bei Chazelles war die Feuertaufe
des Regiments im großen Kriege. Mit Genugtuung konnte der
Regimentskommandeur feststellen, daß seine Offiziere und
Dragoner mit Begeisterung an den Feind herangingen und sein
Regiment ihm fest in der Hand lag. Außerdem war erwiesen, daß
die französische Kavallerie es gar nicht auf einen Zusammenstoß
mit ihrer deutschen Schwesterwaffe ankommen lassen wollte,
sondern, wenn es ernst wurde, sich unter den Schutz ihrer
Infanterie begab.
Ein besonderes Merkmal der „Grenzschutzgefechte in Lothringen",
unter welchem Namen die Tätigkeit des Regiments in der Zeit vom
6.-19. August zusammengefaßt wird, bildet die gänzliche
Unkenntnis der Offiziere bis zum Brigadekommandeur hinauf über
die allgemeine Lage und die Absichten der höheren Führung. Nur
der Divisionskommandeur und der erste Generalstabsoffizier
hatten Kenntnis davon, daß die 6. Armee unter Führung des
Kronprinzen von Bayern eine allgemein defensive Aufgabe hatte.
Die an die französische Grenze vorgeschobenen Deckungstruppen
hatten in den Tagen des Aufmarsches der 6. Armee den Auftrag,
überraschende Einbrüche des Feindes in deutsches Land
aufzuhalten. Vom 10. August ab aber hatten das I. bayrische
Korps und das Kavallerie-
Korps die Aufgabe, durch angriffweises Vorgehen französische
Kräfte zu binden und vom 13. August ab durch schrittweises
Zurückgehen auf die Hauptkräfte, die östlich der Saar standen,
die Franzosen nachzuziehen. Unter diesen allgemeinen
Gesichtspunkten müssen die ganzen Bewegungen dieser Zeit
beurteilt werden.
Am 10. August hatten die Truppen des I. bayrischen Korps den
Auftrag, in Richtung Badonviller vorzugehen, die 7. Kavallerie-Division
sollte St. Pole und St. Maurice erreichen und gleichzeitig den
Flankenschutz der Bayern übernehmen. Rechts von der 7.
Kavallerie-Division standen ganz dünne Linien der bayrischen
Kavallerie-Division, weiter nördlich Teile des XXI. Korps.
Die Division sammelte sich 6.45 Uhr vormittags südlich Barbas.
Schon während der Bereitstellung liefen Meldungen ein, wonach
französische Infanterie in beiden Flanken im Vorgehen begriffen
war. Die Masse der Division wurde daraufhin auf das Nordufer des
steilrandigen Vaconbaches zurückgeführt und am Walde und hinter
den Höhen dicht südlich Blâmont bereitgestellt. Die 3. Eskadron
wurde zur Aufklärung gegen Nonhigny, die 5. auf Harbouey
entsandt. Von der 4. Eskadron kam gegen 9 Uhr vormittags die
Meldung, daß der Wald zwischen Barbas und Nonhigny, sowie
Halloville vom Feinde besetzt sei.
Vizewachtmeister Magnus meldete, daß bayrische Truppen bei
Montreux und Bréménil im Kampfe stünden.
Leutnant d. R. Peltzer mit der Aufklärung gegen Montigny betraut,
ritt nördlich Ancerviller zur Beobachtung an ein kleines Gehölz
und sandte 2 Dragoner an eine rechts seitwärts gelegene Anhöhe,
um gegen Überraschungen gesichert zu sein. Das vor dem
Patrouillenführer liegende Dorf war durch die Geländegestaltung
nur zum geringen Teil zu übersehen. Schon wollte Leutnant
Peltzer weiterreiten, als die 2 Dragoner in schärfster Gangart
auf ihn zukamen und das Herannahen feindlicher Infanterie
meldeten. Gleichzeitig erhielt die Patrouille aus einem in der
Nähe befindlichen Gehölz starkes Gewehrfeuer. Leutnant Peltzer
ging in einen weiter nördlich gelegenen Wald zurück und saß zur
besseren Beobachtung ab. Kurz darauf erschien stärkere
feindliche Infanterie. Leutnant Peltzer stürzte bei dem
abschüssigen steinigen Boden mit dem Pferde und blieb bewußtlos
liegen. Als er wieder zu sich kam, wurde er von französischen
Jägern zu Pferde ergriffen und gefesselt. Die Dragoner Stoll und
Rüdenauer waren gefallen, Dragoner Schick blieb durch Bauchschuß
schwer verwundet liegen und wurde später durch Unteroffizier
Fiedler, der sich dazu freiwillig erboten hatte, aufgesucht und
zur Truppe verbracht.
Auf die Meldung hin, daß von Domevre her französische Infanterie
den Marsch auf Blâmont angetreten habe, führte der
Divisionskommandeur seine Regimenter auf die Höhen nördlich
Blâmont zurück. Das Regiment mit der 1. und 4. Eskadron erhielt
die Nachhut. Die Situation war kritisch. Ieden Augenblick mußte
damit gerechnet werden, daß die feindliche Infanterie den Wald
südwestlich Blâmont erreichen und von dort das Feuer auf die am
Südausgang des Städtchens massierten Truppen eröffnen würde. Der
Durchmarsch durch Blâmont vollzog sich unter erheblichen
Stockungen. Bagagen und Fahrzeuge, die an und für sich schon die
Straßen versperrten, kreuzten sich mit einem französischen
Leichenzuge. Ein Mädchen, das tags zuvor durch einen
Fliegerpfeil der eigenen Landsleute getötet worden war, wurde
unter Vorantritt der Geistlichkeit zu Grabe getragen. Mitten in
diesen feierlichen Zug stießen in Marschkolonnen zu Vieren im
Galopp die Ulanenregimenter der 42. Kavallerie-Brigade.
Es war ein wildes Bild. Auf der einen Seite der Straße aufgeregt
abfahrende Trainfahrzeuge, auf der andern Seite eng an die
Häuser geschmiegt die Trauergemeinde, in der Mitte die
galoppierenden Ulanen, deren Pferde über den im Stich gelassenen
Sarg sprangen. Um 11 Uhr vormittags hielt das Regiment auf den
Höhen nordöstlich Blâmont in Bereitstellung. Von dieser aus sah
man die Dörfer Halloville-Parux-Harbouey brennen, es war das
Kampfgelände der Bayern.
Inzwischen war die Division in Richtung Domevre vorgegangen, um
sich gegen den dort gemeldeten Gegner zu wenden. Das Regiment
wurde dem Kommandeur der 42. Kavallerie-Brigade unterstellt.
Dieser ersuchte gegen 12.45 Uhr vormittags den Oberstleutnant
von Gleich, sich mit tunlichster Beschleunigung auf Domevre
vorzubegeben. Gegen 2 Uhr nachmittags meldete sich der
Regimentskommandeur an der Brücke über den Vaconbach 1 ½
Kilometer nordöstlich Domevre beim General von Koscielski. Man
hörte um diese Zeit mäßiges Gewehrfeuer auf den südlich
vorgelagerten Höhen. Dort lagen nämlich die Schützen des größten
Teils der 30. und 42. Kavallerie-Brigade auf ziemlich weite
Entfernung - etwa 1000 bis 1100 Meter - im Fußgefecht gegen
schwache feindliche Kräfte, die sich an den Waldrändern
südwestlich Domevre befanden. Auch die von Harbouey
zurückgekehrte Eskadron Schmetzer war dort ins Gefecht getreten,
wurde dem Regiment aber wieder zur Verfügung gestellt, da dieses
als Reserve zu Pferde bestimmt war. Der Feind schien an diesem
Abend keine Lust mehr zu haben, weiter vorzudringen, ja, die von
der Division in das Bois Banal und Bois le Comte entsandten
Patrouillen brachten etwa 20-25 französische Infanteristen
gefangen mit. Der Flankenschutz der links von uns kämpfenden
Bayern schien gesichert. Der Befehl zum Übergang zur Ruhe wies
dem Regiment Blâmont und Fremonville als Unterkunft zu.
Über das Verhalten der Einwohner gingen von den Patrouillen
fortgesetzt die ungünstigsten Nachrichten ein. Sie beteiligten
sich am Kampfe, sobald sie konnten, das heißt, wenn sie es mit
schwächeren Abteilungen zu tun hatten. Die 5. Eskadron hatte
bereits einen auf frischer Tat ertappten Franktireur in Harbouey
erschießen lassen. Durch Lichtsignale in der Nacht, vor allem
aber durch doppeltes Schlagen der Turmuhr in ungefähr 5 Minuten
Abstand versuchten die Einwohner ihren eigenen Truppen
anzuzeigen, welche Ortschaften von uns besetzt waren. Mit
Rücksicht auf die eigene Sicherheit wurden von da an der Maire
und der Pfarrer des Dorfes allabendlich als Geiseln nach der
Ortswache verbracht.
Der Vorstoß des I. bayrischen Korps hatte seinen Zweck erfüllt.
Starke französische Kräfte waren zu seiner Abwehr eingesetzt
worden. Das Korps erhielt am 12. August den Befehl, zunächst in
Linie Blâmont-Badonviller stehen zu bleiben. In ungestümem,
nächtlichem Häuserkampf hatte das tapfere Leibregiment den
Franzosen dieses Städtchen entrissen. Der rechte Flügel der
Bayern kämpfte in diesen Tagen an der Höhe 328 südöstlich
Domêvre, der linke Flügel des XXI. Korps stand bei Leintrey. Das
Gros der 7. Kavallerie-Division verharrte in Bereitstellung in
der Lücke zwischen den beiden Korps. Nur ab und zu war ihr
Gelegenheit gegeben mit der Divisionsartillerie und einzelnen
Abteilungen kleine Verschleierungsgefechte zu führen. Offenbar
ist den Franzosen nie ganz klar geworden, eine wie geringe
Truppemnacht sie gerade an dieser Stelle gegenüber hatten.
Trotzdem brachte diese Zeit keinerlei Erholung für unser durch
die vorausgegangenen Tage sehr angestrengtes Regiment. Die
ständig durch die jeweiligen Meldungen vom Feinde bedingte
Verlegung der Bereitstellungsplätze ließen die Eskadrons kaum
zur Ruhe kommen. Der Tag und Nacht am Feind aufrecht erhaltene
Patrouillendienst nahm die ganzen Kräfte von Roß und Reiter in
Anspruch. Selten kamen die Eskadrons vor 10 Uhr abends ins
Quartier, das sehr oft aus Biwak bestand. Und von 4 Uhr morgens
war alles wieder auf den Beinen. Große Schwierigkeiten bereitete
die Verpflegung. Da die Bagage nie rechtzeitig kam, mußte
meistens requiriert werden. Manche Eskadron war darin sehr
findig und wurde neidisch von den weniger erfolgreichen
Eskadrons angesehen. Der Berpflegungsoffizier, Oberleutnant d.
R.
Himmel, und der Zahlmeister Kropf taten ihr Möglichstes und
ließen das Essen in den Kochkisten zurechtmachen. Wenn dann aber
die Bagage gegen Mitternacht beim Regiment eintraf, schliefen
die Leute und waren zum Essen nicht mehr hoch zu bekommen. Oft
wurde die Bagage dem Regiment aus taktischen Gründen auch gar
nicht zugeführt. Mit Neid blickten wir auf die Infanterie, die
jederzeit aus der Feldküche essen konnte. Wir lernten diese
Wohltat erst nach 8 Monaten Krieg kennen.
Während bis dahin die deutschen Grenzschutztruppen, schrittweise
nach Westen vorgehend, kämpfend Boden gewannen, kann vom 14.
August ab von einer Offensivbewegung des Feindes gesprochen
werden. Der rechte Flügel der Bayern wurde bei Domêvre scharf
angegriffen. Von den Höhen von Repaix aus, wo das Regiment, wie
schon so oft, in Bereitstellung stand, sah man den Feind in
allgemein nördlicher Richtung mit starken Kolonnen marschieren.
Es war offensichtlich, die Franzosen drängten vom Plainetal bis
zur Seille auf die lothringische Hochebene mit starken Kräften
herauf, Schritt um Schritt wich der deutsche Grenzschutz zurück.
Mit schwerem Herzen überschritt das Regiment auf dem Rückmarsch
am 14. August bei Igney die Grenze. Der Division war der Auftrag
erteilt worden, auf dem linken Flügel des I. bayrischen Korps,
das von Cirey aus in Richtung Lörchingen zurückging, den
nachdrängenden Gegner aufzuhalten. Da aber die Franzosen nur
sehr langsam und vorsichtig unseren Truppen folgten, so konnte
die Loslösung vom Feinde ohne Schwierigkeiten vollzogen werden.
In den Tagen darauf standen Verschleierungsabteilungen des
Regiments an den Übergängen der weißen und roten Saar; in den
Wäldern zwischen diesen beiden Wasserläufen klärten unermüdlich
Patrouillen zu Pferde und zu Fuß die Verhältnisse beim Gegner
auf. Am 16. August abends zog das Regiment durch Saarburg. Die
deutschfühlende Bevölkerung hatte die Stadt schon größtenteils
verlassen. Die höhnischen Gesichter der Franzosenköpfe verrieten,
daß man die verhaßten Boches für geschlagen ansah und mit
Freuden den Einzug der Franzosen erwartete. Der Saarburger
Ulanenbrigade fiel es besonders schwer, ihre Friedensgarnison
ohne Schwertstreich dem Feinde zu überlassen. Die Stimmung war
äußerst gedrückt. Wer je die Wirkung eines solchen freiwilligen
Rückzuges auf die Truppen mitangesehen hat, der wird die Ansicht
vertreten müssen, daß nur äußerst zwingende Gründe die obere
Führung zu einer solchen, die Moral der Truppe herabsetzenden
Maßnahme veranlassen dürfen. Ganz besonders zu Beginn eines
Feldzuges, wo das Vertrauen zur Führung noch durch keine
Kampferfolge Wurzel gefaßt hat.
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