Schweizer Grenze, und die Kavallerie war
hier überflüssig geworden. Wir wechselten den Kriegsschauplatz. In langen
Märschen ging es, weit hinter der Front, durch schöne Städte: Tournai, Le
Cateau, Guise nach Sedan, dort wurden wir verladen und siehe da, am nächsten
Morgen waren wir wieder, wo der Krieg für uns begonnen hatte: in Lothringen.
In St. Iohann bei Basel mit seinem schönen alten Nonnenkloster, in
Gosselmingen, Dolvingen und Bettborn lagen wir, wieder in deutschem Lande,
hinter ruhiger Front: es war wie im Frieden. So feierten wir Weihnachten,
unser erstes Kriegsweihnachten.
Aber gleich darauf war es aus mit der idyllischen Ruhe. Im Elsaß untem, am
Hartmannsweiler Kopf, lag die Landwehr in schweren Kämpfen. Die 7. Kav.-Division
mußte Hilfe bringen. Am 26. Dezember kamen wir nach kurzer Bahnfahrt
herunter in die Gegend südlich Mülhausen. Bei Heidweiler und Aspach
besetzten wir eine Stellung, die die erste, wirklich schön ausgebaute
Stellung mit Unterständen war, die wir überhaupt zu Gesicht bekommen haben.
Auch endlich mal wieder Schußfeld! Aber der Feind blieb ruhig; er hat die
Ablösung der Landwehr durch junge aktive Truppen wohl schnell gemerkt und
verhielt sich sehr bescheiden.
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Am 19. Januar 1915 ging es
wieder nach Saarburg zurück. Dort erhielt das Regiment am 25. Januar
in der Kaserne der 15. Ulanen den ersten Besuch seines in Ehrfurcht
geliebten Königs. Es war ein Freudentag! Der König väterlich und
gütig wie immer. In seiner Ansprache erinnerte er uns an die ernste
Stunde des Abschieds in unserer Kaserne, von der wir schon ganz zu
Anfang dieser Zeilen gesprochen haben. Er war voll Lobes und Dankes
für das, was inzwischen das Regiment hatte leisten dürfen und gab
uns für unsern weiteren Weg die herzlichsten Wünsche mit.
Jetzt begann die Periode der Schützeneskadrons, je gebildet aus 2
Reiteskadrons, die zur Ablösung von einzelnen Bataillonen in der
Front unter Beibehaltung der höheren Befehlsverbände verwendet
wurden, während die Pferde unter möglichst beschränkter
Pferdepflegerzahl in der Saarburger Gegend blieben. Bei Bourdonnay
und Avricourt, tief in den Vogesenwäldern, bei dem einsamen Hof von
Allencombe und dem Forsthaus Thiaville im herbschönen Vorfrühling,
wo schneidige Patrouillen - leider, aber erklärlicherweise - nicht
ohne eigene Opfer durchgeführt wurden, dann im Chamoiswalde bei
Brémenil und bei Les Carrieres, de Badonviller, wo wir im Schlamm
fast versanken, aber doch bei bester Gesundheit blieben. Allmählich
waren wir in den verschiedenen Stellungen auch mit Maschinengewehren
und Gewehren für Gewehrgranaten, sowie Fernrohrbüchsen vertraut
geworden; auch an den praktischen Rucksack hatte sich der stolze
Reiterrücken gerne gewöhnt.
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Die einzelnen Stellungsbesetzungen
dauerten meistens 10 Tage, die Pausen dazwischen waren unregelmäßiger und
schwankten zwischen 5 Tagen bis zu 3 Wochen.
Wir wurden neben der dauernden Ausbildung im Schießen und
Schützendienst aus fleißig zum Exerzieren in den Eskadrons und im Regiment
ausgenüßt.
In den Pfingsttagen hatte sich nun auch noch
Italien von 30jährigen Verbündeten über den einseitig Neutralen zum
offenen Feinde bekannt. Wir nahmen es nicht gar zu schwer, wir
erfuhren es in der idyllischen Waldstellung bei La Boulaie nördlich
Brémenil, wo von Ende Mai bis Mitte Juni zum ersten Male die
Schützen der ganzen Division einen Abschnitt für sich besetzt hatten.
Dort lernten wir auch die Minenwerfer kennen und sahen das erste
große Fluggeschwader mit seinem mächtigen, aber damals noch fast
ungefährlichen Gebrumm. Schon Ende Juni wurde die geschlossene
Division wieder in einem neuen Abschnitt eingesetzt und zwar bei
Leintrey, diesmal wieder in der Nähe von Manonviller, das seit der
Beschießung im August 1914 wieder in feindlicher Hand war. Die Lage
der deutschen Stellung dort war ausgesprochen ungünstig, denn die
beherrschende Höhe, das Sachsenwäldchen, ursprünglich unsere erste
Linie, war von den Sachsen an die Franzosen verloren worden. An
ihrer Stelle waren eine Reihe vorgeschobener Stützpunkte unter
großen Schwierigkeiten errichtet worden, von denen aber ein Teil
auch schon in den Händen der Franzosen war, so daß die übrigen stark
flankiert, dauernd gefährdet waren. Nun sollte eine Riegelstellung
den ursprünglichen Verlust wieder wettmachen, an der wegen der
großen Nähe des Feindes nur bei Nacht und wegen der so kurzen
Julinächte immer nur wenige Stunden, aber dafür fieberhaft
gearbeitet wurde. Hierbei verlor das Regiment 4 Tote und I5
Verwundete, darunter als schwerverwundet Leutnant d. R. Breymann.
Die anderen Regimenter der Division hatten zum Teil noch viel
größere Verluste zu beklagen, so neben uns Husaren 9 gar 82 !
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Der damalige Dienst war wieder sehr schwer
und aufreibend. Innerhalb 48 Std.konnten den Schwadronen nur 12
Stunden sogenannter Ruhe zugebilligt werden. So besetzte laut
Kriegstagebuch eine Eskadron von morgens 2.30 Uhr mit sämtlichen
Schützen die Hauptstellung, wo sie den ganzen Tag über verblieb und
den dringend nötigen Ausbau der Stellung ausführte; während ein Zug
der Eskadron auch bei Nacht dort bleiben mußte, besetzte der andere
einen von den schon erwähnten Stützpunkten, an deren Weiterausbau
auch fleißig zu arbeiten war.
Mit Tagesanbruch marschierte dann die Eskadron nach Amenoncourt in
das höchst primitive und häufig im feindlichen Artilleriefeuer
liegende Quartier zurück, um abends mit einem Teil wieder
Patrouillen zu gehen und mit dem andern einen neuen Stützpunkt
auszuheben. Der genau entsprechende Dienst wurde der andern Eskadron
zu teil. In der Regel bildeten die 1. und 3. Reiteskadron die 1.
Schützeneskadron, während die 2. aus der 2. und 5. bestand.
Allmählich hatte sich die feindliche Artillerie auf unsern Graben
gut eingeschossen; häufige Volltreffer waren die Folge. Die ständige
Beobachtung von der Höhe des oben genannten Sachsenwäldchens aus
begann unerträglich zu werden und so beschloß die Division ein
Unternehmen zu seiner Rückeroberung. Unser Jäger-Batl. 9 sollte es
ausführen. Zu seiner Unterstützung wurden aus je 30 Freiwilligen der
4 Schützeneskadrons der 26. Kavallerie-Brigade eine Sturmeskadron
gebildet. Rittmeister v. Neubronner (Rudolf) war ihr Führer. Er
führte gleichzeitig einen Zug, während den andern Leutnant v.
Carlshausen führte. Am 15. Juli, abends 6 Uhr, begann überraschend
eine starke Artillerievorbereitung; der Gegner antwortet von 6.30
Uhr an ziemlich heftig mit Artilleriefeuer gegen unsere
Hauptstellung. 8.30 Uhr abends wurde zum Sturm angetreten, das
Sachsenwäldchen ohne allzu große Verluste genommen, die beiden Züge
waren hinter beiden Flügeln des Bataillons gefolgt und begannen
sofort die neu genommene Stellung aus- bezw. umzubauen. Sie wurden
aber so heftig beschossen, daß der linke Zug in kurzer Zeit die
Hälfte seiner Leute verlor und zusammen mit einem Teil der Jäger
zurückgehen mußte. Der erste Zug dagegen konnte sich behaupten und
arbeitete bis 2.15 Uhr vorn:. an dem Frontwechsel des Grabens. Dann
wurde aber auch der erste Zug auf Befehl zusammen mit dem Rest der
Jäger zurückgeholt, da ein zu erwartender feindlicher Gegenstoß
unter diesen Umständen keinenfalls mit Erfolg hätte abgewiesen
werden können. |
Während die Truppe auf die
Hauptstellung zurückging, blieben zum Aufsuchen und Bergen der
Verwundeten und Toten unsere Patrouillen zurück, deren Tätigkeit
durch eine ganz besonders finstere Nacht sehr erschwert war.
Unteroffizier Wölfle der 3. Eskadron hat sich hierbei ganz besonders
ausgezeichnet. Das Regiment hat bei diesem Unternehmen 3 Tote und 22
Verwundete verloren, die sämtlich geborgen werden konnten. Außerdem
mußte ein Mann als vermißt gemeldet werden. Nachdem Rittmeister v.
Neubronner im Stützpunkt 8 Meldung von allen Patrouillen erhalten
und seinerseits Meldung erstattet hatte, ging er als letzter auf die
Hauptstellung zurück. Das Verhalten aller Mannschaften unter dem
schweren Artilleriefeuer war musterhaft, was durch einen
anerkennenden Divisionsbefehl des Generals v. Unger - seit Anfang
Januar unser neuer Divisionskommandeur - hervorgehoben wurde, der
außerdem betonte, daß die Leistung der Truppe uneingeschränktes Lob
verdiene, wenn auch der mit schmerzlichen Verlusten erkämpfte Erfolg
nicht von Dauer gewesen sei. Im ganzen hatte das Regiment in diesen
vier Wochen bei Leintrey 7 Tote, 48 Verwundete und 4 Vermißte
verloren. |
Jetzt wurden die Schützen wieder zurückgezogen und das Regiment in die
Gegend von Lauterfingen verlegt, wo vor fast einem Iahr die große Lothringer
Schlacht für uns ihren Anfang genommen hatte. Inzwischen waren durch die
heilende Zeit die Schäden der Schlacht wenigstens äußerlich ziemlich
vernarbt. Nur etwas sprach noch deutlich von dem, was vorgegangen war, die
langen Gräberreihen mit vielen Kreuzen an den Dorf- und Waldrändern, sowie
namentlich entlang den Waldstraßen und auch die vielen Einzelgräber mitten
in den Wiesen und Feldern. Eine sprechende Umgebung für unsern
Feldgottesdienst zum Iahrestage des Kriegsausbruchs.
Im August wieder Stellungskrieg in einzelnen Schützeneskadrons, zuerst bei
Chazelles, dem Ort unserer Feuertaufe, in der Nähe des schönen, nun
bedenklich zerstörten Schlosses Grand Seille, wo die Stellung durch das Dorf
selbst geführt war und wo die Unterstände sich in den einzelnen Kellern
befanden, die sämtlich wie Katakomben miteinander verbunden waren. Die
eigentlichen Grabenstellungen waren sehr verbesserungsbedürftig und mußte
wegen der Nähe des Feindes wieder sehr viel bei Nacht gearbeitet werden.
Dann bei Emberménil und Xousse, wo manch schneidige Patrouille gegangen
wurde. Darauf im September am Delmer Rücken, bei Allaincourt und Craincourt
unter manchem scharfen Feuerüberfall der feindlichen Artillerie. Mitte
Oktober ein kurzer Ausflug in den herrlichen Herbstwald der nördlichen
Vogesen das Breuschtal hinunter nach Le Fraiteur. Nach einem Tag schon
wieder Abtransport; es soll fortgehen aus Lothringen. Wiederum Gerüchte, die
von Rußland munkeln. Wir freuen uns; endlich werden wir wieder Kavalleristen
sein!
Am 20. Oktober erläßt der Armeeführer Generaloberst v. Falkenhausen einen
Abschiedsbefehl:
„Die V.Kavallerie-Division gehört seit 10 1/2, Monaten der Armee-Abteilung
an. Wo immer Teile von ihr eingesetzt waren, haben sich Führer und Truppe in
Angriff und Verteidigung voll bewährt.
Ich spreche der Division meinen Dank und meine Anerkennung aus." |
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