Mit
thüringischer Landwehr auf der Wacht an Deutschlands Westgrenze
!
Oberst A.D. von Trotha
1919 - Görlitz
[1915]
VII. Als Reserve der Sächsischen Division.
Und Feinde hier und Feinde dort,
Drum steh' zusammen Süd und Nord!
Und fort mit all' dem kleinen Neid!
Daß rings die falschen Ratzen
An uns'rer deutschen Einigkeit
Vor Ärger mögen platzen!
Stoltze. Gedicht 1860.
Freundlich schien am Morgen des 10. 3. die Sonne in unsere
Fenster hinein. Bei behaglicher Temperatur konnte man sich
einmal wieder ordentlich waschen und fühlte sich nachher an dem
Frühstückstisch in der warmen Stube besonders mollig. Das
Quartier war gerade so, wie ich es mir gewünscht hatte; ein
sauberes Haus, die Leute freundlich, alles hübsch beisammen.
Auch unsere Leute waren gut untergekommen in Bertrambois. Das
Dorf liegt in der am weitesten in nordöstlicher Richtung nach
Lothringen hineinragenden Ecke Frankreichs, nicht weit von den
Quellen der Saar entfernt; es ist rings von ausgedehnten
Waldungen umgeben. Wir haben hier einige Tage wirkliche Ruhe
gehabt, sie war ja den Mannschaften auch zu gönnen. Da das
A.-O.-K. zum 15. 3. die Eingaben verlangte, um die Aufstellung
eines III. Bataillons für das Regiment vorbereiten zu können,
gab es einiges zu überlegen. - Abends nach dem Essen vereinigten
wir uns in Deckert's Quartier bei gutem
bayrischen Bier. - Es hatte schon den Nachmittag angefangen zu
schneien und so war es die ganze Nacht fortgegangen. So mußten
wir am nächsten Vormittag durch mehr als fußhohen Schnee
stampfen, als ich mit Homann und meinem Burschen Schwerdt durch
den Wald nach Hattigny ritt, nur um die Pferde etwas zu bewegen.
Den darauffolgenden Tag ritt ich durch den Wald nach Tanconville,
wo ich auch gleich unsere dienstlichen Postsachen abholen konnte.
Auf dem Wege hatte ich Gelegenheit, die prachtvoll ausgebauten
Stellungen zu sehen, aus denen die Sachsen vor 14 Tagen
vorgestoßen waren; hier mitten im Wald ließ sich dies auch schön
und bequem herstellen, wo das Holz im Überfluß in nächster Nähe
war.
- Die Sonne kam nun wieder durch und der Schnee schmolz bald
stark. Der Abend vereinigt die Kameraden wieder.
Am 13. ritt ich nach Cirey und dann nach Les Harcholins, ein
fast an Bertrambois grenzender lothringischer Ort. - Dreiß muß
sich, da er seine Erkältung nicht los wird, zu Bett legen. -
Ich saß abends mit Deckert, Stets und Homann noch ein Weilchen
beim Glas Bier. Damit war es mit der Ruhe aber auch vorläufig
wieder vorbei, denn um Mitternacht kam der Befehl der Division,
daß das II. Bataillon von 7 Uhr vormittags ab alarmbereit wäre.
Später erklärte die Division, daß Anzeichen für einen
französischen Angriff vorhanden seien, daß es aber auch erst
morgen dazu kommen könne.
Ich hatte mich noch eines schweren Auftrages zu entledigen,
nämlich dem Hauptmann von Horn die Nachricht zu überbringen, daß
sein Sohn, Fähnrich bei einem Garde-Regiment, in den Kämpfen in
der Champagne gefallen sei. Ich ritt, da es die Situation zuließ,
um 9 1/2 Uhr los und erreichte nach scharfem Ritt über Hattigny-Ibigny
das Divisions-Stabsquartier Rixingen, wo die 1. Kompagnie den
Wachtdienst versah. (Diese Trauernachricht hatte sich übrigens
nach einigen Tagen insofern als ein Irrtum herausgestellt, als
der junge Horn schwer verwundet war). Lange konnte ich mich
natürlich nicht aufhalten; ich benutzte die Gelegenheit, um auf
dem Rücktritt schnell in Foulcrey bei Major Neumann
vorzusprechen. Auf der ganzen Strecke hatten mich Regenschauer
und Nebel begleitet und ich war froh, als ich um 1,30 Uhr
nachmittags wieder in meinem Quartier anlangte. Doch es sollte
gleich weiter gehen. Kaum war das Mittagessen erledigt, da
telephonierte die Division um 2.15 Uhr nachmittags: Regiments-Stab
und II. Bataillon nach Val in Alarmquartier. Dreiß, der das Bett
noch nicht verlassen sollte, blieb in Bertrambois zurück und ich
ritt 3 Uhr nachmittags mit Homann über Cirey vor. 4.30 Uhr
nachmittags an Ort und Stelle, wurde dem Regiments-Stab ein
äußerlich ganz nett aussehendes Quartier, die Wohnung des
Direktors der dortigen großen Sammet-Fabrik, angewiesen. Val war
ganz von den Einwohnern verlassen, zerstört war an den Gebäuden
nicht viel, aber das innere der Wohnungen und die Umgebung sah
wüst aus, da wohl Freund und Feind in den Vorräten und dem
Mobiliar in unsinnigster Weise herumgewühlt hatte. Wir richteten
uns so gut es gehen wollte für die Nacht ein, die Bagage kam
auch schnell und Eberitzsch hatte bald das Abendbrot fertig. Ich
hatte einen ganz bequemen Lehnstuhl erwischt, wärmte mich am
Ofen und habe mich auch bald auf einer Matratze auf der Erde
hingestreckt, während Homann noch eine Bierquelle aufsuchte. Es
lagen nämlich noch genug Truppen da, Staffeln der Artillerie und
dergleichen, welche Kantinenbetriebe aufgetan hatten.
Dem scheußlichen Tage folgte am 15. ein schöner, heller Morgen.
Der Ort lag hübsch und geschützt in einem engen Tal mit
bewaldeten Hängen. Ein für den Fabrikbetrieb abgeleiteter Arm
des das Tal durchfließenden Baches ergoß sich dicht bei unserer
Villa als Wasserfall der Wiese zu. Ein schöner Blick öffnete
sich von unseren Fenstern aus das Wiesental hinauf gegen die mit
dunklen Tannen und Buchen bestandenen Berge in Richtung Angomont.
Im Stillen hatten wir wohl gehofft, daß wir bald wieder nach dem
uns schnell liebgewordenen Bertrambois zurückkehren würden, aber
da das I. Bataillon - ohne 1. Kompagnie - ebenfalls heute
Vormittag vor, und zwar nach Petitmont, gelegt war, mußten wir
wohl doch mit längerem Verbleiben hier rechnen. Es wurde also
mit allen Kräften daran gegangen, das Haus und das kleine
Kärtchen zu säubern; was allein für Mengen Papier in dem Garten
herumgestreut waren, davon macht man sich gar keinen Begriff.
Die Stuben wurden verteilt und als ich nach einigen notwendigen
Gängen wieder eintrat, sah das Ganze recht manierlich und nett
aus. Homann und die Leute hatten ungemein fleißig und geschickt
gearbeitet. Meine Schlafstube war mit allem Notwendigen
ausgestattet, wir hatten Tischgerät reichlich vorgefunden; Holz
zum Feuer machen und heizen war in Massen aufgestapelt, man
brauchte nur zuzulangen. Natürlich waren auch Möbel, an denen es
für unsere Zwecke fehlte, aus der Nachbarschaft herangeschafft
und wir stellten uns vor, was wohl die Besitzer für eine Mühe
haben würden, ihre Sachen auseinanderzufitzen, wenn sie dort
wieder einziehen würden. Nun - inzwischen ist so viel Zeit
vergangen und so viel Wechsel dort sicher gewesen, daß wohl kaum
noch ein Stück auf demselben Fleck stehen dürfte. - Hauptmann
Deckert hatte sein Quartier wiederum als Versammlungspunkt für
die Kameraden zur Verfügung gestellt und so fand ich mich mit
Homann abends auch dort ein; das II. Bataillon sollte ja
außerdem morgen im Bréméniler Walde das I. des Ersatz-Regiments
32 im Schützengraben ablösen.
Am 16. suche ich vormittags den Gefechtsstand der Brigade auf,
um mich über die Lage zu orientieren. Es sah dort nun auch schon
anders aus, als an jenem 23. Februar; es waren kleine Baracken
entstanden, die ganz leidlich behaglich eingerichtet waren und
man bekam auch eine kleine Stärkung. Exzellenz von Tettenborn
war übrigens zur selben Zeit anwesend und begrüßte mich äußerst
liebenswürdig. Nach dem Mittagessen unternahm ich mit Homann
noch einen hübschen Spazierritt nach dem schön gelegenen Schloß
Châtillon, es liegt nur Stunde von Val entfernt mehr nach dem
Vogesen-Kamm und der Grenze zu.
Der 17. war wieder ein herrlicher Frühlingstag; wir konnten die
ersten Schneeglöckchen pflücken und hatten unsere Freude an den
wunderhübschen kleinen Priemeln, welche in allen überhaupt nur
denkbaren Farben und Farbenschattierungen, weiß, gelb, rot,
rosa, lila, blau, in den Gärten der Bewohner wuchsen und auch
gewöhnlich den Schmuck der Gräber bildeten. Diese Tage sind mir
eigentlich in angenehmster Erinnerung geblieben, viel angenehmer,
als sie vielleicht in Wirklichkeit waren, denn man hat doch
viele Stunden, ja ganze Tage und Nächte in großer Unruhe
verbracht, ob wohl die Stellungen vorn auf die Dauer zu halten
sein würden. Besonders als das II. und später das I. Bataillon
eingesetzt waren, da waren die Gedanken unausgesetzt vorn und
man hätte oft gern hingesehen, wie es eigentlich stand. Die
aufregenderen Tage kamen ja allerdings auch noch, zunächst ließ
es sich halten und man hatte Zeit, das Erwachen der Natur zu
neuem Leben hier in der an sich schönen Umgebung zu beobachten
und es hob die Stimmung nach dem langen, ungemütlichen Winter.
- Nur den bewaldeten Hang hinauf, am Wasserfall vorbei, hatte
man Petitmont schnell erreicht, wo ich Neumann noch aufsuchte,
der wegen seines Leidens das Bataillon wieder an Hauptmann von
Horn abgeben mußte. Dort oben war es weniger schön, der Ort lag
weniger geschützt, es war daher gleich bedeutend rauher; zudem
war Petitmont reichlich zerstört, die Kirche und eine ganze
Anzahl der Gebäude lagen in Trümmern.
Wir mir am folgenden Tage beim Brigade-Gefechtsstand versichert
wurde, glaubte man nicht mehr an den angekündigten Angriff der
Franzosen, die sich in ihrer Stellung befestigten. Der
Brigade-General war krank. Auf dem Rückritt beredete ich mit
Hauptmann von Horn das Nötige für den Empfang des Königs von
Sachsen morgen. - In unserem Ort hatte ein Mann das Glück gehabt,
in einem Garten vergraben 37000 Francs in Gold zu finden;
manchen veranlaßte dies, ebenfalls Versuche mit der Gießkanne zu
machen in der Hoffnung, daß sich der Boden des Gartens an irgend
einer Stelle senken und so einen Hinweis geben würde, wo man mit
der Schaufel ansetzen müsse; aber es blieb vorläufig bei dem
einen Fund! - Das II. Bataillon ist gestern und heute von
Artillerie beschossen worden; während es gestern ohne Verluste
abging, hatte die 3. Kompagnie heute einen Toten und einen
Verwundeten. - Mit Homann wird abends noch die Kantine
aufgesucht, wo sich auch Häußer und Krusekopf, mit kurzem Urlaub
von Petitmont, eingefunden hatten; das Bier muß also ganz gut
gewesen sein.
Von unseren Leuten waren die beiden Dörfer für den Empfang des
Königs von Sachsen in rührender Weise zurecht gemacht. Mit Grün
waren die Straßen geschmückt und besonders in Petitmont hatten
sie versucht, die Stätten der Zerstörung mit Tannengrün und
Laubzweigen zu überdecken. Zahnen waren herausgehängt, wobei man
das französische „Blau" mit Hülfe von Tinte in „Schwarz"
verwandelt hatte. Ehrenpforten waren errichtet, am Eingang von
Schloß Châtillon her, das der König vorher besichtigten wollte,
prangte in Dal eine besonders schöne, mit mächtigen Quasten
versehene, die den alten Gruß trug: „Gott segne Sachsen!" Das
Wetter, welches zunächst ein recht trübes Gesicht an jenem 19.3.
aufgesetzt hatte, klärte sich auf, es kam sogar die Sonne durch
als der König mit einer Stunde Verspätung in Val anlangte, wo
die sächsischen Truppen aufgestellt waren. Darauf wurde der
Brigade-Gefechtsstand besucht, der während des kleinen
Frühstücks auch von den Franzosen durch einige Schrapnells
bedacht wurde - ob dies nur Zufall war oder Spionage ? - In
Petitmont standen unsere Kompagnien mit präsentiertem Gewehr
unter Hauptmann von Horn. Ich meldete dem Könige, welcher mit
einigen anerkennenden Worten unserer Mitwirkung in den
Gefechtstagen der letzten Wochen gedachte. Er ging die Front der
Truppen ab und die Fahrt wurde schnell fortgesetzt. In seiner
Begleitung befanden sich der Kronprinz von Sachsen, welcher mich
sehr freundlich ansprach und der Prinz Christian. Um 1 Uhr war
das Fest zu Ende und ich war schnell zu Fuß in Val. -
Die nächsten Tage brachten leichten Frost, aber schönes Wetter;
am 20. 3. suchte ich mit Hömann wieder den Brigade-Gefechsstand
auf, wir fanden aber den vertretenden Brigade-Kommandeur, Oberst
Graul, nicht dort. Das II. Bataillon rückte abends wieder in Val
ein, die 6. Kompagnie hatte heute leider noch 2 Tote gehabt; es
war ja sicher keine schöne Zeit dort draußen gewesen, immerhin
waren aber doch die Verluste gering zu nennen.
Mit Dreiß, der am Nachmittag sich wieder zu uns gesellt hatte,
habe ich am 21. noch allerhand geregelt, es wird sich besonders
um die in Aussicht genommene Ernennung Pohlmann's zum Adjutanten
I. gehandelt haben und um die Offizierswahl. Dreiß ging nun für
12 Tage zur Erholung nach Hause. Das I. Bataillon war 10,30 Uhr
vormittags marschbereit zur Verfügung des A.-V-.K. bestellt
worden, kurz darauf auch das II. für die Division; es erfolgte
aber nichts darauf. - Für 5 Uhr nachmittags hatte sich
Hofprediger Schmidt für Petitmont angemeldet, um einen
Gottesdienst zu halten; ich ging dazu herauf. Der alte Herr,
welcher den Tag schon viel geleistet hatte, kam recht erschöpft
an, sodaß wir ihn zunächst eine kleine Stärkung reichen mußten.
Dann aber trat er, in seinem ergrauten Haar eine Achtung und
Ehrerbietung einflößende Erscheinung, unter die Soldaten, welche
in dem Saale des durch die Beschießung ziemlich mitgenommenen
Gemeindehauses versammelt waren und sprach in einfachen, jedem
Manne faßlichen Worten zu ihnen über das, was ein jeder von uns
vor dem Gefecht wohl bete: „Daß man die Kraft hätte, seinen
Posten ausfüllen zu können", Ganz in der Art, wie ich es von
Berlin her kannte, redete er zu den alten Kriegern, sie durch
seine Worte fesselnd und zum Aufmerken zwingend. Ich glaube, daß
die Meisten von dieser Andachtsstunde tief ergriffen gewesen
sind. Ich brachte den Herrn Hofprediger nach Val herunter, wo er
auch noch eine Andacht hielt und dann bei uns die Abendmahlzeit
einnahm. Er war mit verschiedenen unserer Verwundeten und
Sterbenden die Wochen vorher zusammengekommen und hat dem
Regiment auch später stets ein warmes Interesse entgegengebracht.
Er blieb schließlich länger bei uns als er zunächst beabsichtigt
hatte und Homann geleitete ihn dann nach Cirey.
Am 22. ließ sich bereits in der Frühe heftiger Geschützdonner
hören, sodaß ich eher auf war als gewöhnlich. Von 7,45 Uhr
vormittags war das Regiment marschbereit und vergeht der ganze
Tag durch die Warterei in einer gewissen. Unruhe. Gegen Abend
wird die Marschbereitschaft aufgehoben, doch sollen wir schnell
verwendbar sein.
Um Mitternacht brachte mir der liebenswürdige Divisions-Adjutant,
Major von Nostitz-Wallwitz, das Eiserne Kreuz 1. Klasse, das war
eine freudige Überraschung; ich habe, da ich gerade im ersten
Schlummer lag, das Eintreffen des Majors leider nicht gehört und
er war, um mich nicht zu stören, zu Homann gegangen; so konnte
ich mich nicht gleich für die Aufmerksamkeit bedanken. Lyding
kam jedoch auch gleich darauf mit den Befehlen und brachte 30
Eiserne Kreuze 2. Klasse; - ich hatte auf mehr gehofft [...] das
drückte nun in der Tat meine Freude recht herab, da ich meiner
Auffassung nach meine Auszeichnung dem vortrefflichen Verhalten
des Regiments mit verdankte und deshalb gern möglichst viele
Offiziere und Mannschaften dafür belohnt gesehen hätte. Dir
Dekorierten seien hier aufgeführt, es waren: Leutnant Scholvien,
Unteroffizier Faul der 1., Leutnant Krusekopf, Feldwebel Lang,
Gefreiter Koch, Wehrmann Weiland der 2., Unteroffizier Voigt
der 3., Hauptmann Stapff, Unteroffiziere Wandt und Weiser,
Gefreiter Müller der 4., Vize-Feldwebel Wiehelm, Unteroffizier
Winter
der 5., Hauptmann Stets, Unteroffiziere Henkel, KarthSuser,
Wiedemann, Wehrleute Kollaschek II, Stengel, Feige, Schmuck,
Fahrig der 6., Hauptmann Luken, Sanitäts-Unteroffizier Schreiber
der 7., Leutnant Reitz, Unteroffizier Hinske, Gefreiter Gabriel,
Wehrleute Sippel und Paul der S. Kompagnie und Schütze Bernhard
Müller des Maschinengewehr-Zuges. Die Befehle der Division
besagten, daß das Regiment bereits 6 Uhr vormittags zu etwaiger
Verschiebung bereit sein solle und zwar das I. Bataillon, ohne
Kompagnie, auf dem Bahnhof Cirey, der Regiments-Stab und das II.
Bataillon in Val. So war es eine recht unruhige Nacht gewesen
und der Vormittag vergeht, nachdem um 5 Uhr vormittags Kaffee
getrunken war, mit Warten. Mittags wurde die Eßkiste wieder vom
Wagen heruntergeholt und den Nachmittag weiter herumgesessen und
gestanden, bis es gegen H Uhr heißt, wir könnten Warmquartiere
beziehen und zwar das I. Bataillon in Cyrey. Ich konnte beim II.
Bataillon noch Offizierwahl und Besprechung abhalten.
Auch am 24. saßen wir, nachdem in der Nacht kurzes Artillerie
und bald darauf auch heftiges, aber nicht lang anhaltendes
Infanterie-feuer zu hören gewesen war, es den Tag über aber
scheinbar ziemlich ruhig blieb, permanent auf der Lauer. - In
der Mairie war ein Offizier-Kasino eingerichtet worden, ich
glaube durch das Verdienst des Hauptmann Luken; dieses wurde
gegen Abend eingeweiht. Gleich nach unserem Abendbrot meldete
sich dann Hauptmann Knorr, welcher zur Übernahme der
Maschinengewehr-Kompagnie zum Regiment versetzt war. Er brachte
von der Division die Nachricht mit, daß ich zum Oberst befördert
sei, was sich dann auch bewahrheitete. - Hauptmann Knorr bezog
für die Nacht Dreiß's Lagerstätte.
Auf unsere Anfrage am folgenden Morgen heißt es gegen Mittag,
die „erhöhte Bereitschaft" sei aufgehoben, das Regiment müsse
jedoch innerhalb von Stunden marschbereit sein. -Um 4 Uhr
nachmittags macht Luken einige photographische Aufnahmen mit
Hülfe des tüchtigen Unteroffiziers Busse. - 4,30 Uhr nachmittags
wegen der zu Ende zu bringenden Offizierswahl nach Cirey
geritten. Nachdem die beiden letzten Tage angenehmes
Frühlingswetter geherrscht hatte, gewinnen die heute früh sich
einstellenden Regenschauer allmählich an Ausdehnung und gehen
gegen Abend zu Landregen über; ich war demselben durch frühen
Rückritt noch leidlich entgangen, Homann, der noch nach dem
Cirey'er Bier sehen mußte, kam wohl schlimmer weg.
Die Nacht traf der Befehl ein, daß das I. Batailon für eine
Woche am 26. 3. nachmittags das I. Ersatz-Regiment 32 abzulösen
habe; ich ritt dazu vor, um die Kompagnien in der Gegend des
Brigade-Gefechtsstandes an mir vorbeimarschieren zu sehen. Auf
dem Rückritt, der mich an den ausgebrannten Gebäulichkeiten der
Noroy-Sägemühle vorüberführte, hatte ich meine Freude an der
herrlichen Natur. Die langsam gewundene Straße führte an dem
Hange einer Schlucht entlang hinab zu einem Quellbach der
Vezouse. Rechts und links ragten prächtige Edeltannen gen Himmel,
mit ihren dunkelgrünen Zweigen im Ton das Ganze beherrschend.
Dazwischen die Büsche, deren Knospen noch ängstlich
zurückgehalten waren; das Unterholz stark durchsetzt mit der
immergrünen Stechpalme, deren glänzende stachliche Blätter dem
Vogesenwalde zum Schmuck dienen. Alles lag so friedlich und
still da, daß man den Krieg ganz vergessen konnte.
Am Morgen darauf waren die Wiesen mit Reif bedeckt. Das II.
Bataillon rückte, dem gestrigen Befehl gemäß, um 9 Uhr
vormittags nach Heming ab, während der Regiments-Stab sich zur
Übersiedelung nach Cirey bereit machte. Nach dem Mittagessen
ritten wir bald fort und waren um 2,30 Uhr nachmittags in dem
Ort. Homann hatte sich schon den gestrigen Nachmittag nach den
Quartieren umgesehen, was sehr nötig gewesen war. Ich hatte eine
recht nette Stube in einem alten Haus, nicht weit vom Theater,
in dem auch Homann unter kam, während der Unterstab schräg
gegenüber lag. Es berührte einen eigentümlich, daß man auf den
Straßen mal wieder Frauen und Kinder sah und nicht nur Soldaten.
Das Schloß, welches als Absteigequartier für die Division oder
höhere Vorgesetzte reserviert war, hatte einen ausgedehnten,
wunderschönen Park, der allmählich in den Wald überging. Ich
unternahm dorthin noch einen kleinen Spaziergang; abends trafen
wir uns in der Kneipe bei ausgezeichnetem Paulaner-Bräu mit
einer Anzahl sächsischer Kameraden. Sie wußten viel zu erzählen
von den heimtückischen Überfällen der belgischen Bevölkerung auf
unsere Truppen, da sie es erlebt hatten, wie das durch eine
Ortschaft rückende Bataillon plötzilch aus allen umliegenden
Häusern beschossen wurde, sodaß es im Umsehen zahlreiche Tote
und Verwundete gab. Man lernt bei der Schilderung solcher
Ereignisse die Wut verstehen, die unsere im allgemeinn doch mehr
als gutmütigen Soldaten ergreifen kann, und man bekommt
Verständnis dafür, daß in solchen Augenblicken an den Häusern
dieser Orte mehr zerstört wird, als es uns selbst hernach
angenehm und erwünscht ist, worauf die Heeresleitung schon in
den ersten Wochen des Krieges hinwies. Auch hier in der Gegend
muß es ja ähnliche Gründe gehabt haben, daß die Dörfer zum Teil
so restlos niedergebrannt waren; wie gern hätten wir sie jetzt
für unsere Unterbringung, beispielsweise Parux, in anderem
Zustande angetroffen.
Am 23. morgens hat es geschneit und es hält sich auch die
nächsten Tage noch daran. Ein Genuß waren morgens immer die
Ritte durch den schönen Park und in den sich schier endlos
erstreckenden Wald; der Schnee lag nur leicht auf den Bäumen und
die Tannen und Fichten waren wie mit einer Zuckerkruste
überzogen. Auch nachmittags machte ich gewöhnlich noch einen
Gang durch die stillen Partien des Parkes, in dem sich übrigens
auch verschiedentlich Spuren von Schützengräben befanden. Auch
den Kirchhof besuchte ich, auf dem 4 unserer tapferen Leute zur
letzten Ruhe gebettet waren. Er liegt etwas erhöht über der
Straße nach Blâmont, die nach Süden geöffnete Aussicht bot einen
hübschen Blick auf das Kampfgelände, wo sie ihre Todeswunde
empfangen hatten. Meine Gedanken waren aber mit einer gewissen
Sorge draußen beim I. Bataillon, welches sich in einer wenig
beneidenswerten Lage befand, da der Franzose andauernd Versuche
machte, uns die gewonnenen Fortschritte wieder abzunehmen. Für
den wegen seines schwer verwundeten Sohnes beurlaubten
Hauptmanns v. Horn hatte Hauptmann Stapff die Führung des
Bataillons übernommen. Ich konnte ja weiter nichts tun, als bei
der Brigade, welche ebenfalls mit Spannung die Ereignisse bei
dem piel umstrittenen le Chamois verfolgte, dafür einzutreten,
daß unsere Artillerie die Infanterie schützte. Ich sandte an
Stapff ein Zettelchen mit der Mitteilung, daß mir dieses im
reichsten Maße zugesagt war; mein Gruß ist ihm in seinen
Kümmernissen von Wert gewesen! Als am 30. 3. nachmittags der
Franzose wiederum anfing heftig mit seiner Artillerie zu reden,
wodurch unsere 3. Kompagnie auch Verluste hatte, antworteten die
Sachsen denn auch kräftig und mit guter Wirkung. Das hörte man
gern!
Die Befehle, auch die des A.-O.-K., erhielten wir erst morgens;
sie mußten dann schnell für das II. Bataillon weiter gegeben
werden, dessen Befehlsempfänger den um 9 Uhr vormittags hier
abgehenden Zug benutzen konnte. Die Bahn von Cirey nach
Avricourt wurde durch einige Züge befahren.
Meine Ritte führten mich die Tage nach Schloß la Vigne -
eigentlich ein Landhaus - und nach der interessanten alten Abtei
Haute Seille, ferner nach Lascenborn, einem niedlichen
lothringschen Vogesendorf, südöstlich von Bertrambois in einem
engen Waldtal versteckt gelegen. Am 31.3. abends erfreute uns
Hofprediger Schmidt in der Kneipe durch seine Gegenwart.
Ein Tag, der in Friedenszeiten ganz besonders gefeiert worden
wäre im deutschen Lande, verlief bei uns verhältnismäßig still
und durch die Umstände, die eintraten, in einer gewissen Unruhe,
es war der 100 jährige Geburtstag Bismarcks. Ich hatte morgens
das schöne Wetter zu einem Ritt über Bertrambois und Tanconville
benutzt und wir hätten wohl für uns beim Mittagessen zum
mindesten eine Flasche getrunken zum Gedächtnis unseres großen
Kanzlers. Da war eben ein Befehl des A.-O.-K. angelangt - der
uns die Nacht schon hatte erreichen sollen -, wonach das II.
Bataillon und der Regiments-Stab zu Mittag in Foulcrey
einzutreffen hatte. Nun hieß. es, schleunigst das II. Bataillon
benachrichtigen, schnell essen und um 2 Uhr nachmittags ritten
wir ab; die Bagage folgte. Auf nicht gerade den besten Wegen
erreichten wir über Fremonville, Gogney um 3,30 Uhr nachmittags
unser Ziel, das Bataillon traf etwas nach uns ein - der Ort
machte einen verhältnismäßig sauberen Eindruck. Ich bezog die
Stube, wo ich vor Tagen Major Neumann aufgesucht hatte. Gegessen
haben wir in Homanns Quartier bei einem Bäcker; dicht daneben in
einem großen Hause war der Unterstab untergebracht. Der Ort lag
über 300 m hoch und ganz frei, war dadurch den noch recht
empfindlich kalten Winden, von denen wir in dem Vogesen-Tal
wenig gespürt hatten, sehr ausgesetzt.
Den folgenden Tag, Charfreitag, konnten wir uns in Ruhe
einrichten; auch der berühmte Photograph der 7. Kompagnie trat
wieder in Tätigkeit, diesmal, um uns in größerer Gruppe zu
verewigen; Ort der Handlung war der Schulhof. Das I. Bataillon
wurde heute Abend nach Cirey zurückgezogen, um dann am 3. nach
Avricourt (die 1. Kompagnie wieder nach Rixingen) ins Quartier
zu gehen; nur die Maschinen-Gewehr-Kompagnie wurde noch bei der
45. Ersatz-Brigade zurückbehalten. Nach der ganzen Gruppierung
schien man mit einem Vorstoß aus dem Paroy-Wald zu rechnen.
Am 3.4. spreche ich in Avricourt den Leutnant Besler, welcher
vom I. Bataillon als Quartiermacher vorausgeschickt war; auch
Horn, der inzwischen den Charakter als Major erhalten hatte,
aber die 1. Kompagnie vorläufig behalten mußte - (im Augenblick
führte er das I. Bataillon) - meldete sich von Urlaub zuruck;
ihm war, von der Ersatz-Division auf das liebenswürdigste dabei
unterstützt, die Möglichkeit geworden, seinen Sohn vom
Feldlazarett nach Heidelberg zu bringen.
Am 1. Ostertag begrüßte ich beim Kaffee Dreiß, der die Nacht
zurückgekehrt war und beim Lehrer ein Quartier gefunden hatte.
Sein Eintreffen wurde durch ein kleines Frühstück gefeiert, zu
welchem auch Olszewski und Stets erschienen. Allerhand schöne
thüringische Sachen wurden dabei aufgetischt und zu berichten
gab es natürlich genug aus der Heimat. - Nachts und auch morgens
schallte Geschützdonner zu uns herüber; im übrigen stürmte und
regnete es den ganzen Tag und dieses Wetter behielten wir, bis
sich nach dem 9. 4. leichter Frost und etwas Schnee einstellten.
Am 2. Ostertag war ich abends zu Exzellenz v. Tettenborn
eingeladen. Ich wurde um 7 Uhr mit dem Auto abgeholt, das mich
durch den Wald, welchen ich schon vormittags zu Pferde
durchquert hatte und der recht hübsche Partien aufwies, nach
Rixingen brachte. Der General war äußerst liebenswürdig und so
verlebte ich einen sehr angenehmen Abend. Um 11 Uhr sauste ich
wieder meinem Dorfe zu. -. Hauptmann Stapff war nachmittags noch
bei mir gewesen, da er sich leider für einige Zeit zur Erholung
auf Urlaub begeben mußte.
Es war uns der Befehl zugegangen, daß das Regiment unter der
Leitung des Generals v. Unger, Kommandeur der Kavallerie-Division
in Saarburg, in den nächsten Tagen Übungen im Angriff auf
befestigte Stellungen abhalten solle; alte Schützen grüben, wie
sie ja überall in der Gegend zu finden waren, sollten dabei
möglichst benutzt werden. Ich erkundete eine solche Stelle auf
der Höhe zwischen Gogney und Repaix; der General, welcher am
Nachmittag nach Foulcrey herankam, billigte meinen Plan und am
8. 4. vormittags fand dann auch die in ihren Vorbereitungen
etwas stark überhastete und durch das andauernde Unwetter nicht
gerade begünstigte Übung statt. Am Tage darauf zeigte das I.
Bataillon in der Gegend dicht südwestlich Bahnhof Igney-Avricourt
seine Künste in womöglich noch größerem Schmutz; Major v. Horn
hatte das Programm durch kleine Einlagen etwas erweitert. Am 10.
4. vormittags holte General v. Unger mich und Homann ab, da wir
auch das in Maizieres liegende Bataillon Augsburg zu besichtigen
hatten. Dort auf dem Clam-Gallas-Berge (wie mag der Name in
diese Gegend verschneit worden sein ?) führte uns Major Lohmann
seine Bayern vor und wir sahen zum ersten Male die Wirkung einer
Handgranate; daß diese Waffe eine solche Bedeutung in wenigen
Monaten erlangen würde, das dachten damals sicher nur wenige.
Ich konnte bei dieser Gelegenheit meinen musikalischen Hauptmann
aus dem Bremeniler Walde wieder begrüßen. Es hatte morgens
geschneit, was den Schmutz nur vergrößerte.
Hofprediger Schmidt hatte uns am 6. eine schöne Osterpredigt
gehalten über den Glauben an die Auferstehung. Ich konnte den
würdigen Herrn, der den weiten Bezirk seiner Division auf seinem
Fuchs andauernd durchstreifte, ein Stückchen begleiten, als ich
noch ein zweites Mal zur Rekognoszierung der Höhe nördlich
Repaix ausritt; es war übrigens dort auch mit dem II. Bataillon
die Festungs-Maschinen-Gewehr-Kompagnie 9, welche uns
vorübergehend unterstellt war und in Bertrambois lag, besichtigt
worden.
Die Befehle erhielten wir in dieser Zeit von der
Kavallerie-Division v. Unger und zwar brachte sie mir Lyding
gewöhnlich gegen 11 Uhr abends ans Bett. Viel Eingänge gab es
meist nicht, in der Hauptsache waren es die bewilligten
Urlaubsanträge unserer Leute, die wir auf eine von uns dem
A.-O.-K. vorgelegte Bitte hin jetzt in reichlicherer Zahl, ich
dächte bis zu 12 von der Kompagnie, nach Hause schicken durften.
Es war dies eine große Freude für die Leute und eine große Sorge
für die Kompagnie-Führer, nun die Richtigen herauszusuchen, denn
natürlich wurde die bewilligte Zahl voll ausgenutzt und die
nächsten warteten schon sehnsüchtig, bis die Vorderleute
zurückkamen. Die Kavallerie-Division erledigte unsere Gesuche
mit erfreulicher Schnelligkeit und ich konnte des Morgens, wenn
ich zum Kaffee herüberging, gewöhnlich ein Päckchen an die
Kompagnien weiter geben, damit die Leute den Tag selbst noch zur
Abfahrt benutzen konnten und so etwas Zeit gewannen. - Der arme
Lyding hatte es recht schwer diese Nächte; in der Nacht vom
6./7. zum Beispiel tobte ein wahrer Orkan und in der vom 7./3.
regnete es wie mit Kannen.
Am Nachmittage des 10. ritt ich, da ich mit Ober-Leutnant
Schneider zu sprechen hatte, nach Avricourt. Es war richtiges
April-Wetter, der Westwind jagte eine Schneehusche nach der
anderen über die Gegend hin. Das Land war schnell mit einer
dünnen weißen Decke überzogen, welche dann unter der Einwirkung
einer kurzen Zeitspanne, während der die Sonne zur Herrschaft
kam, ebenso plötzlich wieder verschwand. Eine tüchtige Husche
hatte ich in Rixingen abgewartet und bot sich mir nun auf dem
Nachhauseritt ein wundervolles Naturschauspiel. Während
gewöhnlich, sobald man den Wald von Foulcrey durchschritten
hatte, die mächtige Kette der Vogesen mit ihrem mannigfaltig
gestalteten Profil vor einem lag, der gewaltige Donon in der
Mitte, so erblickte man heute an der Stelle auf der ganzen Linie
ein wildes Meer von weißen Wolken, aus denen nun aber allmählich
die dunkelen Bergzüge hervortraten. Das ganze Bild war von der
Sonne beleuchtet. - Dreiß hatte an dem Tage auch ein
merkwürdiges Erlebnis auf seinem Ritt; er befand sich auf dem
durch gänzlich baumloses Gelände nach Ibigny führenden Wege, als
ein Flieger, wie solche hin und wieder diese Strecke auf dem
Flug nach oder von Saarburg zurücklegten, auf ihn herabzustoßen
schien, sodaß er sich veranlaßt sah, seinen Fuchs in
beschleunigte Gangart zu setzen, um im Zickzack-Kurs sich diesem
Ungetüm zu entziehen. Wir haben damals über die Geschichte
gelacht und wollten den feindlichen Fliegern dergleichen Scherze
nicht recht zutrauen; es ist wohl aber zweifellos, daß er eine
ernstliche Absicht auf den einsamen Reiter hatte.
Wir hatten am 11. einen ruhigen Sonntag, tags darauf war
Offizier-Wahl für Vize-Feldwebel Loose, den ich bei dieser
Gelegenheit ebenso wie Hauptmann Lzäußer, mit dem Eisernen Kreuz
schmückte.
Das Wetter wird nun für die nächsten Tage schön, wenn es auch
nachts gewöhnlich leicht friert. Ich beobachtete von der kleinen
St. Joseph-Kapelle am Südausgang, wo wir einen Posten stehen
hatten, ein Raketenspiel; es mußte nach der Richtung zu urteilen
bei Bremenil sein. - Um 14. begrüßte ich in Igney den Major v.
Könneritz; es herrschte bei seinen Vorposten recht rege
Gefechtstätigkeit.
Das ruhige Dasein, welches wir führten und das ja auch unseren
Leuten sehr zustatten kam, veranlaßte uns zu Spaziergängen nach
dem im Walde herrlich gelegenen Foulcreyer Weiher, den Dreiß
besonders liebte; es war ein Genuß, die Natur in diesem
verschwiegenen Winkel in Ruhe beobachten zu können.
Vom A.-V.-K. war mir am 15. mitgeteilt worden, daß die
Formierung des III. Bataillons beschlossene Sache sei und ich
mich immer darauf einrichten könne. Da gab es nun eine Menge zu
überlegen und ich sprach tags darauf in Avricourt mit Major
Neumann, den ich am nach seinem Erholungsurlaub wieder hatte
begrüßen können und der zunächst hauptsächlich durch die
Änderungen berührt wurde, das Erforderliche durch.
Wir erhielten unsere Post in jener Zeit gewöhnlich mittags, wenn
wir noch bei Tisch saßen. Die Möglichkeit, verschiedentlich
Zeitungen zu erhalten, wurde natürlich gern ausgenutzt. So
brachte eigentlich jeder, der in Avricourt zu tun hatte, vom
dortigen Bahnhof dieses oder jenes der dort ausliegenden Blätter
mit und Lyking erstand bei den Befehlsempfängern möglichst ein
Exemplar der im sachsischen Hauptquartier Rixingen natürlich
leicht erhältlichen „Leipziger Neuesten Nachrichten".
In jenen Tagen fanden die Cholera- Impfungen statt; nachdem mich
der „kleine Würger" am 12. bearbeitet hatte, vollendete
Stabsarzt Grunenberg am 16. das Werksohne daß ich beide Mal
irgend besondere Beschwerden danach verspürt hatte.
Das Wetter war so schön geworden, daß wir sogar am 16. abends in
dem Garten unserer Stammkneipe sitzen konnten, wo, - wenn ich
nicht irre, nach Fexers Anlagen - eine hübsche Laube
entstanden war. Nach der Solidität der Bauart und der geschmack
vollen Ausschmückung zu schließen, dürfte dieselbe noch heute
bestehen.
Das II. Bataillon war am 17. zu einer Übung in der Gegend von
Igney gewesen. Des Abends war heftige Schießerei im Abschnitt
der Bayern, also südwestlich von Avricourt. Es waren dort die
Vorposten etwas vorgeschoben worden. Die Gefechtstätigkeit hält
auch den nächsten Vormittag an. Es zeigen sich die ersten
Schwalben.
Am 19. hatte ich mit der Intendantur in Rixingen wegen der uns
zu liefernden Lebensmittel zu verhandeln, wobei mich Homann mit
seinen landwirtschaftlichen Kenntnissen auf das Beste
unterstützte.
Abends kamen dann die Befehle, das aufzustellende III. Bataillon
betreffend, die am darauffolgenden Morgen ausgearbeitet und
ausgegeben wurden. Das Bataillon bekam Major v. Horn, welcher
Leutnant Vohlmann als Adjutanten und den bewährten
Verpflegungsoffizier, Leutnant Eisenhardt, erhielt; dazu kam der
Zahlmeister Caccia, der aus Thüringen zum Regiment versetzt war.
Das I. und II. Bataillon gaben je eine Kompagnie und zwar die 3.
und 8. als 9. und 10., geschlossen ab. Dazu trat eine Kompagnie
des Landwehr-Regiments 80. So fehlten beim II. und III.
Bataillon vorläufig je eine Kompagnie, während das I. Bataillon
bereits Ende April - am 28. 4. unter Ober-Leutnant Becker - die
neue 3. Kompagnie aus Mannschaften, die vom belgischen
Übungslager uns zugewiesen wurden, bildete. Um jedoch den
Charakter des Regiments als thüringisches nach Möglichkeit zu
erhalten, hatte ich bestimmt, daß diese „Beverlooer", meist
Rheinländer und Westfalen, auf die 2., 4. und die neue 3.
Kompagnie gleichmäßig verteilt wurden und daß die 2. und H.
Kompagnie je einen geschlossenen Zug nach Wahl des Majors
Neumann an die Kompagnie Becker abgaben; es wurden dies, wenn
ich nicht irre, die Züge Mägdefrau und Neuhoff. - Adjutant des
I. Bataillons wurde Leutnant Felgner, Verpflegungs-Offizier beim
II. Bataillon Feldwebel-Leutnant Bieler. Die 1. Kompagnie
erhielt Ober-Leutnant Köhler.
Am Abend waren die älteren Kameraden aus Foulcrey einer
Aufforderung zum Essen nach Avricourt gefolgt, wo man auf dem
Bahnhof recht gut verpflegt wurde und wo es vor allem auch ein
vorzügliches Bier gab. Ich war mit Stabsarzt Grunenberg und den
jüngeren Offizieren unserer bescheidenen Kneipe treu geblieben;
- bekommen war uns dies jedenfalls gut!
Mein braver Brauner lahmt etwas; nach etwa 3 Tage Schonung war
er jedoch wieder in Ordnung.
Seit dem 20. war es mit der herrlichen Ruhe für die Truppe
einmal wieder vorüber. Das I. Bataillon wenigstens mußte in den
Nächten den Bayern schanzen helfen, während das II. noch einige
Tage sein Schlaraffenleben weiterführen konnte, bis es auch dazu
herangezogen wurde. Die Arbeiten fanden in der Gegend von
Embermenil und Leintrey statt und waren schon die An- und
Abmarschwege beschwerlich genug, abgesehen von unnötigen Umwegen
und sonstigen Ärgernissen.
Einige Sorgen verursachten die wenigen überzähligen Pferde und
Wägelchen, die sich bei den Bataillonen befanden und die eine
ganz außergewöhnliche Anhänglichkeit und Haltbarkeit zeigten.
Man glaubte die Pferde längst abgegeben, immer wieder tauchten
sie an irgend einer Stelle auf und für die Beibehaltung der
Wagen gab es eine solche Fülle von Gründen, daß man ganze Bogen
damit im Bericht vollschreiben konnte!
Sehr erfreulich waren die Erfolge an unserer Front bei Ypern,
die am 22. 4. nach dem Bericht eingesetzt hatten und dann eine
ganze Zeit fortdauerten, sodaß ich eine kleine Skizze an einem
passenden Platz im Dorf anheftete und täglich die Gewinne mit
blauen Pfeilstrichen verzeichnete, damit die Mannschaften sich
ein Bild davon machen konnten.
Am 26. trat das III. Bataillon in Lörchingen zusammen. Wir waren
am Abend vorher noch einmal mit den Kameraden der 3. Kompagnie
vereint gewesen, welche um 9 Uhr vormittags nach einem
Triumphzug durch die Hauptstraßen des Ortes mit schlagenden
Tambours abzog.
Es meldeten sich im Laufe des Tages die zum Regiment versetzten
Offiziere, zunächst vormittags der Oberleutnant Wingenroth,
welcher vom Landsturm Bataillon Heidelberg kam, dann die beiden
vom Reserve-Regiment 60 zu uns übertretenden Kameraden,
Ober-Leutnant Böhmer und Leutnant Ulrich, auch die
Maschinen-Gewehr-Kompagnie war nach ihrer langen
Schützengrabenzeit zurückgekehrt und entlaust worden; sie lag am
Bahnhof Igny-Avricourt, wo ich den Hauptmann Knorr vormittags
begrüßen konnte. - Dafür verließ uns Eberctzsch für 14 Tage, um
zu Hause einmal nach dem Rechten zu sehen und Schmidt übernahm
wieder einmal das Szepter in der Küche.
Am 27., an einem schönen, sonnigen Morgen, ritt ich mit Homann
über Haussonville - St. Georg-Landingen nach Lörchingen, spreche
Major v. Horn und Hauptmann Deckert, der von Urlaub zurück ist
und begrüße die zum Regiment versetzte 12. Kompagnie
Landwehr-Regiment 80. Die Kompagnie, unter Führung des
Reg.-Rats, Hauptmann der Landwehr Berger aus Wiesbaden, bestand
in der Hauptsache aus Nassauern und Sauerländern und hatte in
den südlichen Vogesen gekämpft. Sie war in der Pflege-Anstalt
wohl ganz leidlich untergekommen, im übrigen, was ja erklärlich
war, über den Tausch vorläufig nicht sehr glücklich. Der einzige
Gefallen, den ich ihr im Augenblick tun konnte, war, daß ich ihr
die alte Nummer ließ, während sie eigentlich die 11. Kompagnie
werden sollte. An Offizieren befanden sich bei der Kompagnie
noch Leutnant Bublitz, Feldwebel-Leutnants Metz und Reißer. -
Auf dem Rückritt war es empfindlich warm.
Abends konnte ich eine kleine Verlosung veranstalten. Junge
Mädchen aus Landsberg a. d. Warthe hatten mir ein Paket
geschickt mit allerhand schönen, nützlichen Sachen; die Auswahl
war in der Tat recht geschickt getroffen. Gedern Stück war der
Name der Spenderin beigefügt und so konnten wir uns mit einem
kleinen Gedicht bedanken, in welchem jede der jungen Damen ihrer
Gabe entsprechend bedacht wurde.
Am nächsten Tage kamen die 250 Beverlooer für das I. Bataillon
an.
Tags darauf fährt Homann zunächst nach Heming, um die Pferde für
das I. und III. Bataillon in Empfang zu nehmen und zu verteilen.
Er reiste darauf nach Straßburg weiter; außer anderen
Mitbringseln versorgte er uns mit Karten von den
Kriegsschauplätzen, die zur Zeit ein besonderes Interesse
hatten.
Es hatte schon die Nacht heftig in Richtung Badonviller
geschossen und ging auch bis gegen Mittag so weiter.
Vormittags am 30. hatte ich zu tun mit den Arbeiten für die
Auffüllung unserer Maschinen-Gewehrzüge zu einer richtigen
Kompagnie; Mannschaften, Pferde, Fahrzeuge, alles war ja
zusammen gestoppelt und sollte nun in Ordnung kommen. Mittags
ging der wenig angenehme Befehl des Armee-Ober-Kommandos ein,
daß bis auf weiteres 6 Kompagnien jede Nacht der Bayerischen
Landwehr-Brigade wieder schanzen helfen mußten. Die
Ausführungsbefehle trafen erst gegen Abend ein und zwar mußten
nun unverzüglich eine Kompagnie von Foulcrey und zwei von
Avricourt heraus. Den nächsten Morgen klagten mir die
Bataillons-Kommandeure ihr Leid, wie ungenügend die
Vorbereitungen getroffen gewesen wären. Nun, wir haben es ja
später selbst erfahren, daß es sehr schwer ist, für eine fremde
Truppe solche Dinge gut vorzubereiten und wie leicht sich dabei
Mißverständnisse einstellen, deren Folgen dann viele Umwege und
unnötige Arbeit sind. Auch die hellen Nächte - es war Vollmond -
waren für das Schanzen recht wenig günstig, da die
Franzosen mit ihrer Artillerie alle Augenblicke dazwischen
fuhren. Die Erdwerke waren südlich von Leintrey und dem dicht
westlich des Dorfes liegenden Gehölz les Remabois auszuführen,
die 5. Kompagnie hatte leidlich schaffen können, die und 2. aber
waren erheblich gestört worden. Die Bataillons-Kommandeure
wollten die nächste Nacht selbst mit herausgehen und vorher sich
mit dem verantwortlichen bayerischen Bataillons-Kommandeur
besprechen; es hatte ja auch für den ersten Abend alles sehr
übereilt werden müssen.
Auf den Kriegsschauplätzen stand es überall sehr günstig: die
feindlichen Landungstruppen bei den Dardanellen waren erledigt
worden, bei Zypern wurde das eroberte Gelände restlos behauptet,
in der Champagne und in den Argonnen ging es vorwärts, auf den
Höhen auf dem rechten Maas-Ufer waren in den letzten Tagen rund
Franzosen gefangen; auch an der Ostgrenze von Bst-Preußen
machten wir Fortschritte. Am meisten erstaunte uns, daß die
Festung Dünkirchen von unserer Artillerie unter Feuer genommen
war; - wir wollten es uns zunächst so erklären, daß unsere
Kriegsschiffe dies getan hätten, vom Land aus schien es uns der
Entfernung wegen nicht möglich! - Wir hatten in Erwartung des
Wonnemonats eine kleine Maibowle in der Laube; die 6. und 7.
Kompagnie fehlten, da sie zur Arbeit waren.
Mit Wetterleuchten und Geschützdonner ging der 1. Mai zu Ende;
leider hatte die 7. Kompagnie in der Nacht 2 Tote und 2
Verwundete gehabt.
Zu meiner großen Freude durfte ich am Vormittag den Ober-Arzt
Dr. Nitsch und Leutnant Felgner, sowie Hauptmann Knorr und 3
seiner Leute mit dem Eisernen Kreuz überraschen.
Ich sprach nun noch bei der Division vor, wo mir durch den
Generalstabs-Offizier, Oberst-Leutnant v. Berger, in der
entgegenkommendsten Weise Aufklärung über die Lage gegeben
wurde. Danach war es unbedingt nötig, daß der Ausbau der
Stellungen in der Gegend, wo unsere Kompagnien zu helfen hatten,
bald und intensiv geschehen mußte; ich erhielt auch die
Ermächtigung, dies den Offizieren und Mannschaften mitzuteilen,
damit sie wußten, wofür sie eingesetzt wurden unter diesen
schwierigen Umständen. - Im Vorbeireiten sehe ich auf dem
Bahnhofe Rixingen die eben aus Cassel eingetroffenen Fahrzeuge
für den Stab des III. Bataillons und für 2 neue Kompagnien, die
in tadellosem Zustande und schneller zur Stelle waren, als wir
vermutet hatten.
Die Natur hatte sich wundervoll entwickelt, überall im Walde
sproß das frische Grün hervor und die Obstbäume standen in
schönster Blüte, während Nachtigall und Kuckuck sich hören
ließen. Es wird viel Obst in der Gegend dort gezogen, die
Chausseen und Feldwege sind gewöhnlich mit Obstbäumen bestanden
und an den Mauern sowie an den nach den Gärten zeigenden Wänden
der Gebäude findet man überall Spalierobst. Ich glaube, daß
unsere thüringischen Landsleute manches dort gelernt haben, wie
wir unsere Gärten in dieser Beziehung besser ausnutzen könnten
und nicht wenige werden sich wohl für die kommende Friedenszeit
vorgenommen haben, mehr in dieser Hinsicht zu tun. Das Klima war
dort oben in Foulcrey, wie ich schon früher betonte, ziemlich
rauh, schlimmer wird es in den meisten Gegenden Thüringens und
auch der Rhön nicht sein können.
Es hatte auch in der Nacht zum 3. ziemlich viel geschossen, doch
waren die Truppen bei den Arbeiten glimpflich fortgekommen; bei
der Kompagnie waren 2 Mann leicht verwundet worden. Bei der
Division wird nur zugesagt, daß auch unsere Artillerie
angewiesen würde, sich energisch zu betätigen, wenn unsere Leute
durch das feindliche Feuer belästigt werden. - Der nachts
niedergegangene Regen war recht erwünscht gewesen; es klärte
sich auch wieder auf. - Gegen Abend meldete sich der für das
III. Bataillon bestimmte Arzt, Dr. Schrammen. - Die
Kriegs-Nachrichten melden, daß unter Führung des Generalobersten
v. Mackensen die verbündeten Truppen die ganze russische Front
in West-Galizien durchstoßen hatten; die Trophäen des Sieges
ließen sich noch nicht übersehen! Das war eine schöne Nachricht.
Wir mußten natürlich am nächsten Morgen so schnell wie möglich
nach dem mit Flaggen geschmückten Bahnhof Avricourt, um neue
Zeitungen zu erlangen, sie befriedigen jedoch unsere Neugier nur
unvollkommen. Es schwirren jedenfalls die unglaublichsten
Gerüchte durch die Luft, ungeheuere Beutezahlen, wie 160 000
Gefangene, 53 Flugzeuge, 450 Geschütze, 31 000 Pferde. Diese
Feststellungen konnten bei der Kürze der verflossenen Zeit noch
gar nicht gemacht sein, die Fama verdoppelt und vervierfacht ja
im Umsehen alles. Am Abend hieß es dann auch im Heeresbericht,
die Beute des ersten Tages beliefe sich auf 21500 Gefangene, 16
Geschütze und 47 Maschinen-Gewehre. - Homann hat zu Mittag eine
Siegesbowle gebraut. - Ich fertigte wieder, wie neulich bei den
Erfolgen vor Ypern, eine kleine Skizze für unsere
„Anschlagsäule", die von den Mannschaften auch eifrig studiert
wurde. - Die 7. Kompagnie hatte in der verflossenen Nacht wieder
einen Mann verloren.
Der 5. brachte ab und zu kurze Gewitterregen, die das Wachstum
mächtig förderten.
Am 6. nachmittags treffen 35 Ersatz - Mannschaften vom
Ersatz-Bataillon des Infanterie-Regiments 71 ein; es wird recht
eng hier mit der Belegung. - Ich räume abends mit Dreiß in den
alten Aktenstößen etwas auf, das ist sehr nützlich und
erleichtert unser Gepäck. - Eine Depesche des A.-O.-K. ordnet
an, daß das Regiment von morgen an nicht mehr zu den Arbeiten
heranzuziehen sei; natürlich ist unser erster Gedanke, daß
unsere Tage hier gezählt sein werden.
Das Kriegstelegramm, auf das wir wie schon gestern
unverhältnismäßig lange warten müssen, bringt wieder nur gute
Nachrichten, besonders von Hvern, südöstlich Verdun,
Ost-Preutzen, West-Galizien und den Beskiden.
Tags darauf, am 7., einem Freitag, predigte Hofprediger Schmidt
vormittags schön über die Worte des Arendschen Liedes: „Wer ist
ein Mann? Wer beten kann ..." und teilte das heilige Abendmahl
aus. Der Hofprediger war darauf bei Tisch unser Gast; es wurde
viel über Italien gesprochen, das, wie die Zeitungen
berichteten, dicht vor der Entscheidung stand. Es wollte uns
damals so garnicht in den Kopf, daß es möglich sein würde,
Italien entscheide sich gegen uns, seine bisherigen Verbündeten.
-
Jetzt wundert man sich ja schon über garnichts mehr. - Neumann
und Dr. Nitsch kamen nachmittags zu Fuß herüber und begleitete
ich sie dann noch ein Stückchen nach Hause zu. - Abends saßen
wir in der „Laube Fexer"; sie hatte wohl ein Schild erhalten mit
diesem Namen!
Nachts kommt Lyding mit dem vorläufig noch geheim zu haltenden
Befehl, daß wir hinter die 1. bayrische Landwehr-Division -
(Dieuze) - verlegt würden; Exzellenz Freiherr v. Falckenhausen
war vormittags bei der Division gewesen, ich hatte aber nichts
Neues erfahren können.
Nach dem Morgenritt am 3. fand ich den Befehl des A.-O.-K. vor,
wonach morgen der Regiments -Stab und das II. Bataillon mit der
Bahn Château-Salins, das III. mit Fußmarsch Gisselsingen und
Tarquinpol, südlich Dieuze, zu erreichen hatten, während das I.
Bataillon und die Maschinen-Gewehr-Kompagnie in Avricourt
verblieben. Die Befehle dazu waren schnell ausgefertigt.
Nachmittags kommen Neumann und Felgner noch zu Fuß heran. Ich
gehe abends, während Dreiß am Packen ist und Homann sich
durchaus noch die Rampe des Bahnhofes Rixingen auf ihre Größe
hin ansehen will, zu den Kameraden in die Laube, als sich
plötzlich die Maschinen-Gewehr-Kompagnie anmelden läßt,
um für die Nacht hier Quartier zu nehmen. Der Bahnhof
Igny-Avricourt war nämlich heftig beschossen worden. Ich hielt
es zunächst für unausführbar, daß sie hier unter kam, aber die
Division hatte es befohlen, und es ging wirklich.
Die Nachrichten aus Galizien lauteten günstig und Libau war
genommen!
Am Sonntag, den 9. reiten wir ab, nachdem die Eingänge noch
schnell erledigt waren. - Die Einwohner von Foulcrey trauerten
tatsächlich, daß wir fortgingen, das muß man zum Lobe unserer
Mannschaften sagen. Dabei hatte stark französische Gesinnung in
dem Ort gesteckt; meine Wirtsleute waren im Grunde des Herzens
ganz französisch, und die braven Leute, wo wir speisten, hatten
auch fast ausschließlich Verbindungen nach Frankreich gehabt.
Dabei hatten wir die Entdeckung gemacht, daß die zahlreichen in
der Stube aufbewahrten Ansichtspostkarten sämtlich
die Adresse trugen: „Foulcrey en Lorraine annexé". Warum hatte
die deutsche Reichspost solche Briefschaften befördert?
Ich meldete mich bei Exzellenz v. Tettenborn ab; er war ungemein
freundlich und hat auch bei späterer Gelegenheit - als im
Spätherbst 1915 die Bataillone des Regiments abwechselnd in die
dortige Gegend zur Erholung gelegt wurden - es sich nicht nehmen
lassen, die Kompagnien aufzusuchen und zu begrüßen.
Bei herrlichem Wetter verließen wir um 10 Uhr vormittags
Rixingen.
Eine ernste, aber schöne Epoche des Krieges hatte ihren Abschluß
gefunden. |