Über Land und Meer : Allegemeine illustrierte
Zeitung.
N° 50 - 1875
Der neue Grenzbahnhof Deutsch-Avricourt
Nachdem in Folge der Ereignisse des Jahres
1870/71 Elsaß-Lothringen dem Deutschen Reich einverleibt und die
Grenze jenseits der Vogesen festgesetzt war, stellte sich das
Bedürfniß ein, die Uebergangsstation nach Frankreich, Avricourt,
welche bis dahin nur sehr unbedeutend war, den großartigen
Anforderungen eines an der Linie StraßburgParis liegenden
Grenzbahnhofs gemäß durch einen neuen Bahnhof zu ersetzen. Es
handelt sich hiebei nicht allein darum, große Räumlichkeiten für
den Verkehr zu schaffen, sondern auch den zahlreichen Eisenbahn-
und Zollbeamten in einer rauhen und kahlen Gegend, deren
Bevölkerung zudem ziemlich deutschfeindlich gesinnt ist, ein
Asyl zu bereiten. Diesen Umständen verdankt der neue
Grenzbahnhof Deutsch-Avricourt mit seiner Beamtenkolonie seine
Entstehung.
Zwischen den Dörfern Rixingen und Avricourt auf einer baumlosen
Hochebene, die noch vor zwei Jahren in keiner Weise das
Interesse des Reisenden anzuziehen vermochte, erhebt sich nun
weithin sichtbar eine neue Stadt, Deutsch-Avricourt genannt,
welche unsere Illustration, von Alt-Avricourt aus gesehen,
darstellt.
Rechts, zwischen der Hauptlinie Straßburg-Paris und der Linie
Avricourt-Dieuze, erhebt sich das stattliche, von weißem
Vogesensandstein ausgeführte Stationsgebäude mit geräumigen,
prachtvoll ausgestatteten Räumen für Zollrevision und Publikum;
in gleicher Linie ein Gebäude für Post und Telegraphie.
Weiterhin folgen Lokomotiv- und Güterschuppen.
Dem Stationsgebäude gegenüber, auf einem sanft ansteigenden
Hügel, dehnt sich die Beamtenkolonie aus. Reizende Wohngebäude,
je nach der Charge der Beamtenklasse verschieden groß, mit dazu
gehörigen Gärten reihen sich friedlich aneinander, um die große
Mittelstraße gruppirt, welche in der Are des Stationsgebäudes
die Kolonie, in eine Hälfte für Eisenbahn- und eine für
Zollbeamte scheidet. Auf dem höchsten Vunft des Hügels ist ein
großer Platz reservirt, dem wohl bald Schule und Kirche zur
Zierde dienen werden. Sämmtliche Straßen sind mit Kastanien und
Ahornbäumchen bepflanzt, welche, in einigen Jahren entwickelt,
in Berbindung mit den hübschen Gärten und mannigfaltigen
Gebäulichkeiten, nicht nur ein reizendes Ensemble, sondern auch
den Bewohnern den in der sonst so kahlen Gegend erwünschten
Schatten bieten werden.
Der Betrieb auf dem neuen Grenzbahnhof Deutsch-Avricourt wurde
am 1. Juni d. J. eröffnet; lustig flatter auf den vier Thürmen
des Stationsgebäudes die deutsche Flagge. Möchte sie lange Jahre
in Frieden dieser friedlichen Schöpfung zur Zierde dienen! |