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Allgäuer Kriegschronik über die Ereignisse des Weltkrieges - 1914-1916
Texte en langue allemande
 



Allgäuer Kriegschronik über die Ereignisse des Weltkrieges
Kempten : Kösel

N° 33
[1914]
Unsere Maschinengewehr Kompagnie

Am 22. vormittags marschierte das Regiment über Gondrexange - St. Georg - Ibigny auf Gogney. Vor dieser Ortschaft stellte sich das Regiment in enger Versammlungsform in einem tiefgelegenen Grunde auf und wartete dort rastend auf weitere Befehle. Auf dem Hange links von uns dicht an der Straße hielt Artillerie mit einer leichten Munitions-Kolonne, rechts vor uns auf den Höhen befand sich eine Kavallerie-Division. Nach einiger Zeit tauchte am Horizont ein feindlicher Flieger auf, der die Artillerie-Kolonne und die Truppen-Ansammlung im Grunde bald entdeckte. Auf die Munitionskolonne ließ er eine Bombe herabfallen, die aber glücklicherweise 100 Meter vor dieser entfernt, ohne Schaden anzurichten, explodierte. Uns im Grunde bedachte er mit Stahlpfeilen, wodurch einige Leute verletzt wurden. Da er uns immer noch umkreiste, beschloß unser Führer, ihn durch Maschinengewehrfeuer zu vertreiben. Rasch kamen die sechs Maschinengewehre von ihren Fahrzeugen, wurden in die entsprechende, fast senkrechte Stellung gebracht und dann zugweise nach dem Befehl der Führer das Feuer eröffnet. Bald verschwand der Flieger. Ihn herunterzuschießen, damit konnte nicht gut gerechnet werden, da er in zu großer Höhe flog. Am Abend bezog das Regiment und die Maschinengewehr-Kompagnie in dem französischen Grenzort Gogney, an dem wir schon früher bei unserm ersten Einrücken in Frankreich vorbeimarschiert waren, Unterkunft. In dem Haus, in dem unsere Offiziere sich niederließen, einer kleinen Kneipe, hatten die französischen Soldaten vieles zusammengeschlagen und wie die Wilden gehaust.
Der Morgen des 23. sah uns auf dem Marsche über Verdenal nach Domevre. Von dort rückte die 2. Di-vision, mit Teilen der 4. Infanterie-Brigade in der Vorhut, in Richtung Montigny vor. Das Gros war noch nicht weit über Domevre hinausgelangt, als schon lebhaftes Artillerie-Feuer in der Marschrichtung vor uns hörbar wurde. Die 4. Infanterie-Brigade wurde vorwärts des nächstgelegenen Waldes alsbald zum Kampfe eingesetzt, das 20. Regiment rückte neben im Wald haltender Artillerie auf der Straße langsam nach. Leicht verwundete Fünfzehner kamen uns jetzt entgegen, Schwerverwundete wurden vorbeigetragen, rechts und links des Weges im Walde sah man die Krankenträger nach Verletzten suchend, die durch das feindliche, auf dem Wald gelegene Artilleriefeuer niedergestreckt worden waren. Nahe dem südlichen Waldausgang wurde Halt gemacht und weiterer Befehl abgewartet. Der Divisionsstab sowie der kommandierende General hielten sich ebenfalls auf der Straße beim Waldausgang auf. Das Regiment erhielt dann Befehl, sich in dem vorliegenden Bachgrund weiter nach rechts zu verschieben. Die Verschiebung konnte ohne Belästigung durch das vorher noch auf einem Teil des Grundes gelegene feindliche Artillerie-Feuer durchgeführt werden, die Kompagnie mußte sich nur durch einen Bach mit dem Spaten eine Durchfahrt schaffen. In der Gegend von Migneville reichte das französische Artillerie-Feuer wieder bis zu uns heran, so daß wir uns näher an diese Ortschaft heranzogen und von dort aus die nunmehr befohlene Bereitstellung erreichten. Das Gefecht vor uns ließ allmählich an Heftigkeit nach und gegen Abend zu verstummte das Feuer. Als es bereits dämmerte, traf Befehl ein, daß II./20 und Maschinengewehr-Kompagnie in der noch weiter feindwärts gelegenen Ortschaft Reherey Unterkunft zu beziehen hätten. Dort waren, als wir bei dunkler Nacht eintrafen, bereits 2 Kompagnien von I./20; die Kompagnien von II./20. nahmen beim Einmarsch die ihnen jeweils nächstgelegenen Häuser und Scheunen für ihre Mannschaften, und der hinten nachmarschierenden Ma-schinengewehr-Kompagnie blieb gerade der dem Feind nächstgelegene Teil der Ortschaft übrig. Nachdem diese Tatsache festgestellt war und in der Nähe des Ortsausganges wiederholt Schüsse hörbar waren, wurden die bereits mit Beschlag belegten Scheunen usw. wieder aufgegeben und nach der vom Feinde abgelegenen Seite des Dorfes zurückmarschiert. Um keine Störungen mehr bei der im Dorfe untergebrachten, stark ermüdeten Infanterie in so später Stunde hervorzurufen, mußte sich die Komp. wohl oder übel dazu entschließen, mit Mann und Pferd zu biwakieren. Zum Zeltaufschlagen war es zu spät, da bereits am nächsten Tage in der Frühe um 3 Uhr abmarschiert werden sollte und die Leute deshalb rasch zur Ruhe gebracht werden mußten. Einige Bund Stroh, unter die Fahrzeuge geworfen, dienten den mit den Mänteln bekleideten Mannschaften als Lagerstätte. Die Pferde waren in ihren Geschirren bleibend an einem Strick, der entlang einer Obstbaumreihe befestigt war, angebunden.

Am 23. rückte die Kompagnie gemeinsam mit dem 2. Bataillon wieder an den gestern zuletzt innegehabten Aufstellungsplatz. Hier fand sich wieder einmal der Futterwagen der Kompagnie, bei der großen Bagage der Division eingeteilt, mit Verpflegungsgegenständen ein und brachte die immer freudig begrüßte Feldpost mit. Der Waffenmeister-Unteroffizier wurde in eine Schmiede der nahegelegenen Ortschaft Migneville geschickt, um dort dasReserve-Maschinengewehr, dessen Schlittenstützen durch anfahrende Artillerie beschädigt waren, in Stand zu setzen.
Gegen 9 Uhr marschierte das Regiment, die Maschinengewehr-Kompagnie und eine Abteilung Artillerie nach Hablainville.


1916
N° 55

Nus Tagebüchern von Allgäuer Dreiern
Die ersten Tage.
In der Frühe hatten wir die französische Grenze überschritten. Nachdem wir nicht weit davon ein großes, in sehr bunten Farben gemaltes Bild „Einzug der Franzosen in Berlin 1914" mit einem hellen Lachen quittiert hatten, wurde bei Gogney Raft gemacht. Blamont wurde am Nachmittag ohne Kampf erreicht. Ganz in der Nähe sah ich ein herrliches Bild, nämlich sechs Kavallerieregimenter zur Attacke aufmarschieren. Und zu gleicher Zeit hörte man auch schon Gewehrfeuer und Kanonendonner. Jetzt mußten auch wir gleich drankommen, richtig, im Falle eines Nichtgelingens der Attacke, deckte unser Bataillon. Aber die schöne Attacke kam nicht zustande, sondern wir gingen vor. Gleich hinter Blamont bekamen wir es schon mit Franktireurs zu tun. Von verschiedenen Häusern wurde auf uns geschossen, und wir waren natürlich gezwungen, jedes einzelne Haus bis ins kleinste Gelaß hin zu untersuchen. Es wurden einige Verdächtige auch gleich von uns mitgenommen, aber es war mir vergönnt, persönlich so einen Kerl niederschießen zu sehen. Einer meiner Kameraden, der mit mir gerade ein Haus durchsuchte, bemerkte, wie sich eben einer aus dem Zimmer drücken wollte und in der Hand noch die Pistole hatte. Ein Knall - und fort war er. Kaum hatten wir indessen das Dorf durchsucht und kamen ins freie Gelände, da bekamen wir gleich Feuer und waren im ersten Gefecht - unsere Feuertaufe. Dieses Surren und Pfeifen der Infanteriegeschosse ist beim erstenmal ganz eigentümlich. Es ist kein Gefühl der Angst, aber doch eins der Unsicherheit, die man aber sofort verliert, wenn man die Gedanken aus den Feind sammelt und nicht an sich denkt. Beim zweitenmal denkt man sich schon gar nichts mehr dabei. Diese unsere Feuertaufe war, so plötzlich sie gekommen, so schnell beendet, da wir uns für die Nacht nach Blamont zurückzogen. Nachdem wir am nächsten Morgen den Güterstationsschuppen, in dem wir auf Zementsäcken süß geschlummert, verlassen hatten, sahen wir uns vor dem Abmarsch „zufällig" die Schokoladenfabrik an. Nun, ich glaube, wir haben mit vereinten Kräften diesen schwarz-braunen Feind vom Erdboden vertilgt. Aber dann kam der Ernst wieder plötzlich; wie am Tagevorher bekamen wir vor Montreux von drei Seiten Feuer. Hei, waren wir da schnell auseinander und am Boden ! Sodann bekam unser Zug den Auftrag, einen etwa einen Kilometer entfernten, von Mauern umgebenen und von den Franzosen stark besetzten Hügel zu stürmen. Das warnun so recht nach unserm Geschmack. Während ein anderer Zug als Unterstützung zurückblieb, gingen wir in zwei Wellen, mit zirka 100 Meter Abstand, vor. Die Franzosen pfefferten, trafen aber nichts, und wir liefen vorwärts. Endlich kam ein sogenannter toter Winkel, in dem wir uns verschnauften. In diesem Augenblick, d. h. bevor wir den Franzosen sichtbar wurden, gab auf ein Zeichen die Unterstützung hinter uns ein heftiges Feuer über unsere Köpfe weg auf die Franzosen ab, die jetzt natürlich schleunigst ihre Köpfe verschwinden ließen. Darauf hatten wir aber nur gewartet, und nachdem das Feuer plötzlich hinteruns beendet wurde, stürmten wir vor, nachdem wir uns vorher schon unter dem Schutze des Feuers bis fast an die Mauern herangearbeitet hatten; so waren dann die Franzosen so überrascht, daß sie nur einige wenige Schüsse auf uns abgeben konnten, bevor es zum Nahkampf kam. Dieser, im Anfang ziemlich heftig, endete mit der Flucht der Franzosen, denen wir noch einige Dutzend Gefangene abnahmen. Als wir uns dann die Stellung des Gegners anschauten, konnten wir uns gar nicht genug darüber wundern, daß sie uns überhaupt erst so weit hatten herankommen lassen. Dabei hatten sie, als die Verteidiger, die Überzahl gehabt. Wenn wir Verteidiger dieser Stellung gewesen wären, hätte es, glaube ich, etwas länger gedauert ! Im Walde sollten die übrigen feindlichen Kompagnien warten. Nachdem wir die eroberte Stellung unsererseits besetzt hatten, warteten wir vergebens auf irgendein Anzeichen des viel stärkeren Gegners. - Das waren die zwei ersten Tage und das erste Gefecht. Zwar kam's am nächsten Tag ganz anders: da bebte die Erde und die Luft zitterte und dröhnte und die Granaten kamen heulend und zischend herangeflogen, bohrten sich tief in die Erde und warfen haushoch und nach allen Seiten Eisensplitter, Steine und Erdklumpen umher.
Aber trotzdem waren die vorhergehenden Tage unsere Feuertaufe.
 


1916
N° 98-99

Aus den Erlebnissen eines Allgäuer Offiziers bei den Reserve-Dreiern.

Schon um 7 Uhr morgens (22. August) ging es vorwärts. Bei Französisch-Avricourt überschritten wir mit stolzer Begeisterung die französische Grenze. Wir waren im Feindesland.
Jetzt erst konnten wir so recht Krieg führen. Denn so wenig deutschfreundlich die lothringische Bevölke-rung auch war, es waren doch deutsche Untertanen,deren Eigentum geschont werden mußte. Man mußte oft Rücksicht walten lassen. Hier gab es nur noch taktische Rücksichten. Alles, was zur Ernährung notwendig war, wurde requiriert, ein Bauer in Amencourt mußte gegen Schein einen Ochsen und zwei Kühe hergeben, obwohl es seine einzigen waren. Aber unsere Truppen wollten auch ernährt sein. Das Regiment marschierte, durch Artillerie verstärkt, als Seitendeckung gegen Autrepierre. Kaum war die Spitze aus Amencourt heraus, als sie aus Richtung Autrepierre Feuer erhielt. Die Franzosen hatten, wie wir leider erst nachträglich erfuhren, im Kirchturm von Autrepierre ein Maschinengewehr ausgestellt, womit sie auf uns schossen. Rasch wurde das 3. Bataillon entwickelt, die Artillerie fuhr gedeckt hinter einem Hange auf, und geschwinder als man erwartete, war ein Gefecht im Gange. Das 1. und 2. Bataillon griff rechts von uns an in Richtung Gondrexon, das von den Franzosen noch mit schwachen Kräften besetzt war. Die Kraft des Gegners konzentrierte sich hauptsächlich am Waldrande südlich von Autrepierre. Mitten im Gefecht brach plötzlich ein wolkenbruchartiger Regenschauer los; aber dadurch ließen sich unsere tapferen Soldaten nicht abhalten. Rasch ging es vorwärts, dem Feind entgegen. Kleine Bäche, die sonst nur wenig Wasser führen, waren bald so hoch angeschwollen, daß man bis zur Brust im Wasser stand. Unsere braven Reservisten warfen ihre Sachen hinüber und schwammen einfach hindurch. Die Schützengräben, die der Gegner am Rande des Waldes angelegt hatte, füllten sich derart mit Regenwasser, daß er dieselben ausgeben mußte. In regelloser Flucht zog sich der Feind zurück, bis zum Waldrand, verfolgt von den Unseren. Hier wurde Halt gemacht und die Kleider, die durch und durch naß waren, getrocknet, da inzwischen wieder prachtvolles Wetter geworden. Das war das zweite siegreiche Gefecht ! So mancher tapfere Allgäuer hatte wieder sein Leben lassen müssen. Auf Divisionsbefehl zogen wir uns nun über Igney nach Avricourt zurück, weil wir viel zu weit vorgeprallt waren. Gegen Abend kamen wir dort todmüde an und bezogen Alarmquartiere; wir sollten hier zwei Tage Rast haben.
Doch schon am nächsten Morgen (23. August) um7 Uhr kam der Befehl, bis nach Igney vorzumarschieren und dort uns bereit zu halten. Gegen Abend kam für das 3. Bataillon der Auftrag, das französische Fort Manonviller, das stärkste Sperrfort der Welt, infanteristisch einzuschließen, damit unter unserem Schutze die Beschießung mit schwerer Artillerie erfolgen konnte. Die anderen zwei Bataillone sollten uns nach zwei Tagen ablösen. Wir marschierten also wieder vorwärts und bezogen Vorposten in Gondrexon, Leintrey und Veho. Spät abends kam der Bataillonsstab in Gondrexon an. In der Nacht noch wurden Patrouillen gegen das Fort vorgeschickt. Unter dem Schutze unserer Vorposten brachte die Artillerie schwere Mörser (21 Zentimeter) in nächster Nähe von Gondrexon in Stellung. Am Morgen des 24. wurden die ersten Schüsse auf das Fort abgegeben. Es war eine wahre Freude, unseren Artilleristen zuzusehen: In Hemdärmeln verrichteten sie lachend ihre mühsame Tätigkeit, wußten sie doch, daß die gegnerische Artillerie sie in dieser Entfernung nicht mehr erreichen konnte; sie kam, als sie gegen Mittag versuchte, unsere Batterien zu beschießen, nicht näher als aus 200 Meter heran. Es war für unsere Artillerie das reinste Schießen wie auf dem Gefechtsschießplatz im Frieden. Weiter zurück standen noch zwei 42 Zentimeter Geschütze, die ebenfalls aus Manonviller schossen. Nach 48 Stunden war das ganze Fort in einen Schutthaufen verwandelt. Die Franzosen hißten die weiße Flagge und ergaben sich.

 

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