Straßbourg, 19 Oct. Ueber
die wieder an Frankreich abgetreten neu Gemeinden theilt die „Straßb.
Ztg." folgendes mit: Die Gemeinde Raon sur Plaine mit 620 Seelen,
bisher zum Kreise Molsheim gehörend, und die Nachbargemeinde
Raon les Leaux (nicht Seaux) mit 336 Seelen, bisher zum Kreise
Saarburg gehörend, liegen auf der westlichen Abdachung des
Mont-Donon im Thale der in die Meurthe einmündenden Plaine, und
haben ihren Verkehr ausschließlich in der Richtung nach Blamont
und Badonvlller, weßhalb die Bewohner die Wiederabtretung an
Frankreich beantragt hatten. Die deutsche Regierung brauchte auf
den Besitz dieser armen und durchaus nationalfranzösischen
Gemeinden wenig Gewicht zu legen. Dasselbe gilt von der nur 191
Seelen zählenden Gemeinde Igney und von dem südlich der
Bahnstrecke Avricourt-Emberménil gelegenen Theile des
Gemeindebannes Avricourt im Kreise Saarburg; die französische
Regierung wünschte den Besitz dieses kleinen Gebietstheils
deßhalb weil durch denselben die in französischem Eigenthum und
Betrieb stehende Vicinalbahn Cirey-Blamont-Avricourt führt, und
weil der Bahnbetrieb gestört worden wäre wenn die Züge die
deutsche Zollgränze zu passiren gehabt hätten. Die Gesammtzahl
der durch den Frieden von Frankreich an Deutschland abgetretenen
Stadt - und Landgemeinden ist 1688.
Frankreich.
Avricourt, 8. April. Dem Vernehmen nach wird am kommenden 1. Mai
die Eröffnung der neuen Grenzstation und des Bahnhofes zwischen
Rixingen und Avricourt unter entsprechenden Feierlichkeiten
stattfinden. Die umfassenben Bauten der jungen Colonie und des
Bahnhofes, in welch letzterem namentlich prächtige
Absteiglocalitäten für hohe Personen eingerichtet sind, können
in der Hauptsache als beendet betrachtet werden. (Straßb. Z.)
Deutsch-Avricourt, 30. Mai.
Bekanntlich ist der Berwaltung der Reichseisenbahnen in Elsaß
Lothringen in dem Friedensschlusse mit Frankreich die Benutzung
des Bahnhofes der Ostbahn-Gesellschaft in Französich-Avricourt
bis dahin vorbehalten worden, daß auf deutschem Gebiete ein
Grenzbahnhof hergestellt sein würde. Der Bau dieses Bahnhofes
begann im Jahre 1872 und ist jetzt vollendet. Etwa 800 Meter von
dem alten französischen Bahnhofe erhebt sich eine ganz neue
Stadt, Deutsch-Avricourt, bestehend aus einem imposanten
Bahnhofs Empfangsebäude, mehreren Baulichkeiten für den
Bahnbetrieb, einem Post- und Telegraphendienstgebäude und aus
zahlreichen Wohnhäusern für die Beamten der Eisenbahn, der Post-
und Telegraphen-, sowie der Zollverwaltung. Eine eigene
Wasserleitung und Gasbeleuchtung reihen die neue Anlage bereits
den besteingerichteten modernen Städten an. Gestern Nachmittag
hatte die dritte Bauabteilung der Generaldirection der
Eisenbahnen in Elsaß Lothringen eine private Festlichkeit zur
Inaugurirung des neuen Bahnhofs veranstaltet. Die Festgenossen,
unter denen sich die Vertreter der Bahnverwaltung, der
Reichspost- und Telegraphenverwaltung, der Kreisdirector und der
Bezirkscommandeur von Saarburg, der Zolldirector von Saarburg
und die Maires von Avricourt und Rixingen befanden, wurden
mittelst Extrazuges von Französisch-Avricourt nach dem neu
erbauten deutschen Bahnhofe besördert, dort an der mit men,
Fahnen und Festgewinden reich decorirten Eingangspsorte von dem
Erbauer, Baumeister Caspar, empfangen und zunächst von letzterem
in den glänzend ausgestatteten Baulichkeiten des Bahnhofes
umhergeführt. In der Empfangshalle II. Classe, deren Wände in
pompejanischem Roth prangen, fand um 8 Uhr Abends das Festmahl
statt, an welchem über 80 Personen theilnahmen.
Straßburg, 9. Aug. Eine
mehrfach widersprechend dargestellte Angelegenheit betreffend
eine Anzahl von Eisenbahnbeamten in Avricourt erregt viel
Aufsehen. Freitag Abend brachte die „Agence Havas" die Meldung,
38 Angestellte der französischen Ostbahn, welche in Deutsch-Avricourt
wohnten, seien von den deutschen Behörden ausgewiesen worden.
Samstag Abend wurde diese Nachricht von der„A.H." widerrufen,
gleichzeitig aber meldete die „Köln. Ztg.," die 38 Angestellten
seien nicht etwa von Deutschland ausgewiesen worden, sondern von
der französischen Ostbahn entlassen, weil sie das deutsche
Gebiet bewohnen. Die Angelegenheit findet jetzt in der „Straßb.
Post" ihre Aufklärung. Wie diesem Blatt von sehr gut
unterrichteter Seite mitgetheilt wird, hat auch die deutsche
Regierung, und zwar ganz unabhängig von den Schritten der
französischen Behörde, diejenigen Maßregeln ergriffen, welche
sie nach Lage der Sache für nothwendig halten mußte. Seit
geraumer Zeit, heißt es in der Mittheilung der „Str. Post," war
das Anwachsen einer französischen Colonie in Deutsch-Avricourt -
es wohnten zuletzt mehr als 30 französische Beamte dort, zum
Theil Familienväter - nicht unbedenklich. Ständen wir mit
Frankreich in einem Verhältniß, wie mit Oesterreich oder mit
Italien, so würde kein Mensch etwas Gefährliches darin finden,
daß eine Colonie französischer Beamten sich auf deutschem Boden
niederließe, selbst wenn die Leute in Uniform erschienen u. s.
w. Die Erfahrungen aber, welche wir leider mit französischen
Beamten gemacht haben, lassen es geradezu als eine Pflicht
erscheinen, die Möglichkeit der Einwirkung derselben auf die
Eingebornen nach Thunlichkeit einzuschränken. Wie der Proceß vor
dem Reichsgericht in Leipzig mit sonnenklarer Deutlichkeit
bewiesen hat, benutzte Schnäbele, der französische
Gränzpolizeicommissär in Pagny, gerade die freundschaftliche
Stellung, in welcher er zu seinen deutschen Collegen stand, dazu,
um den Eingebornen, welche er für das Spionagegeschäft anwerben
wollte, einzureden, sie hätten nichts zu fürchten, da er, falls
etwas herauskomme, stets rechtzeitig davon Wind erhalten werde.
Die Folgen sind bekannt. Pflicht der deutschen Regierung ist es
angesichts der, so zu sagen, amtlichen Organisation der Spionage
in Frankreich nun jedenfalls, die Wiederkehr ähnlicher
Vorkommnisse so weit als irgend thunlich schon durch
Präventivmaßregeln unmöglich zu machen. Mit Rücksicht auf die
Vermeidung von Verwicklungen ist jenen französischen Beamten
daher eröffnet worden, daß sie Sorge dafür tragen müßten,
künftig in Französisch-Avricourt (Igney-Avricourt) zu wohnen,
und daher Deutsch-Avricourt zu verlassen hätten. Für diesen
Umzug sind nun zwar so weite Fristen bewilligt (drei Monate an
verheirathete Beamte), daß von einer Ausweisung im gewöhnlichen
Sprachgebrauch eigentlich gar nicht die Rede sein kann, um so
weniger, als auch die französische Ostbahn das Wohnen so vieler
Beamten auf deutschem Gebiete nur widerwillig gestattete und
bereits früher schon einmal verboten hatte. Indessen soll auch
dieses Wort acceptirt werden, wenn man es von französischer
Seite will. Nach dem Fall Schnäbele, der den Beweis dafür
geliefert hat, daß französische Beamte ihre amtliche Stellung
zur Inbetriebsetzung und Instandhaltung eines regelrechten
Spionendienstes benutzt oder vielmehr mißbraucht haben, sind
alle Maßregeln der deutschen Regierung hiegegen lediglich als
Acte der Nothwehr zu betrachten.
Straßburg, 8. Juli. (Pariser
Heizklatsch.) Das Pariser„Petit-Journal" berichtet: Die in Paris
dienende Carolina Steub aus Hagenau wurde durch eine Depesche an
das Sterbebett der Mutter berufen. In Avricourt wollte man sie,
da sie keinen Paß hatte, nicht über die Grenze lassen. Da hatte
das Mädchen die gute Idee, sich telegraphisch an die deutsche
Kaiserin zu wenden. Die Depesche lautete: Ein junges
elsässisches Mädchen, welches, an das Sterbebett ihrer Mutter
gerufen, daran gehindert wird, die Grenze bei Avricourt zu
passiren. steht Em. Majestät um Allerhöchste Hilfe an." Bald
daraus kam die telegraphische Weisung zurück, das Mädchen
passiren zu lassen. Leider war die Mutter vor einer Stunde
verschieden, als Caroline in Hagenau ankam.
Straszburg, 15. April. Unter
dem Titel: « Brutalité allemande, incident de frontière » u. s.
w. berichten französische Blätter ausführlich über einen Vorfall
in Avricourt, der sich am 5. d. M. zugetragen haben soll. Nach
dieser Darstellung soll ein deutscher Gendarm auf einen jungen
Burschen aus Bitsch, der sich der Festnahme als unsicherer
Heerespflichtiger durch die Flucht entzog, zwei Schüsse
abgegeben haben, die aber ihr Ziel verfehlten; eine Kugel soll
in den Bahndamm auf französischem Boden eingeschlagen haben.
Diese Geschichte ist von Anfang bis zu Ende erfunden. Wie wir
aus verlässiger Quelle erfahren, ist am 4. Abends mit dem
letzten Zuge ein junger Mann aus Bitsch, Namens Bach, in
Deutsch-Avricourt eingetroffen, wo er controlirt, aber nicht
angehalten wurde, weil er noch nicht dienstpflichtig ist; Bach
ist 18 Jahre alt; er gab an, in Deutsch-Avricourt Beschäftigung
zu suchen, übernachtete in einem dem Bahnhöfe zunächst gelegenen
Gasthaus und entfernte sich am andern Morgen, begab sich aber
nicht nach Deutsch-Avricourt, sondern nach dem französischen
Igney-Avricourt. Auf dem Wege dorthin wurde er durch einen
Bahnwärter vom Bahndamme gewiesen, welchen er betreten hatte und
erreichte unbehelligt sein Ziel, ohne daß er von einem Gendarmen
angehalten oder gar angeschossen worden wäre. In Igney-Avricourt
hat sich Bach zur Fremdenlegion gemeldet und dort, um sich
interessant zu machen, der französischen Polizei dieses Märchen
erzählt. Niemand von den zur kritischen Stunde an der Grenze
befindlichen deutschen Bahn- oder Grenzbeamten hat Schüsse
fallen hören. Unbegreiflich ist die Leichtgläubigkeit der
französischen Behörden,welche solchen plumpen Lügen bereitwillig
Glauben schenken.,welche solchen plumpen Lügen bereitwillig
Glauben schenken. |